Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

594 Großbritanzien. (Oktober 5.—13.) 
nationalen Gewässer der südlichen Nordsee durch Minen zu verseuchen, ist 
ein flagranter Völkerrechtsbruch. Uebrigens wird nicht Deutschland dadurch 
geschädigt, sondern die Neutralen, in erster Linie Holland. 
5. Oktober. (London.) Zum Lord Mayor wird Sir Charles 
Johnston, der bisher Alderman von London war, ernannt. 
6. Oktober. Die „Daily News“ zur Frage der bedingten 
Konterbande: 
Unser gesetzliches Recht, das Verfahren einzuschlagen, das wir ge- 
wählt haben, kann nicht bestritten werden. Wir haben die Londoner Er- 
klärung nicht ratifiziert, und deshalb ist sie für uns nicht bindend. Es 
würde nicht schwer sein, unseren Standpunkt mit dem der Neutralen in 
Einklang zu bringen, wenn letztere erwägen würden, daß Lebensinteressen 
für uns auf dem Spiele stehen. 
12. Oktober. England und die belgische Neutralität. 
Die „Times“ schreiben: Die Neutralität war ein verhängnisvolles 
Geschenk für Belgien und machte es ihm unmöglich, militärische und an- 
dere Unterhandlungen zu führen und Abkommen zu treffen, die eine schnelle 
und entschiedene Hilfe seiner englischen Freunde gesichert hätten. Die engli- 
schen und belgischen Stäbe konnten über militärische Vorbereitungen, Truppen- 
transportmittel, Eisenbahndienst, Vorratsversorgung usw. keine entsprechenden 
Pläue machen, ohne, streng genommen, die Neutralität zu verletzen. Wir 
konnten und wollten unsere Armee nicht verzetteln, indem wir sie stück- 
weise nach den unvollkommen eingerichteten belgischen Häsen sandten. Uns 
war unsere Stellung in der französischen Aufstellung angewiesen, und wir 
mußten uns also nach dem französischen Feldzugsplan richten, da Frank- 
reich im Westen die vornehmlichste kriegführende Partei zu Lande war. 
13. Oktober. Die „Morning Post“ gegen Winston Churchill. 
Das Blatt kritisiert den Versuch, Antwerpen durch eine kleine Streit- 
macht von Seesoldaten und Marinefreiwilligen zu ersetzen. Für diesen kost- 
spieligen Fehler sei Winston Churchill verantwortlich. Den Bürgern Ant- 
werpens hätte die Beschießung erspart werden können. Die Anwesenheit 
der britischen Truppen habe den bereits zu lange hinausgeschobenen Rück- 
zug erschwert und verzögert. Es ist nicht angängig, daß Churchill seine 
Stellung dazu benutzt, seine taktischen und strategischen Launen den Fach- 
männern aufzudrängen, die durch die natürliche Schwierigkeit der Lage 
hinreichend bedrängt sind. Wir schlagen vor, daß Churchills Kollegen dem 
Ersten Lord ganz bestimmt und endgültig erklären, daß die militärischen 
und maritimen Operationen unter keinen Umständen von ihm geleitet 
werden dürfen. Die „Times“ erwidern am 14: Es sei absurd, anzunehmen, 
daß eine Entscheidung von solcher Bedentung, wie die Entsendung von 
Seesoldaten nach Antwerpen, allein von einem einzelnen Minister gefaßt 
worden sei, ohne die volle Kenntnis und Zustimmung der Kollegen. Die 
„Morning Post“ habe den besonderen Verhältnissen Antwerpens eine un- 
genügende Bedeutung beigemessen; die Expedition bildete nicht einen Teil 
der wesentlichen militärischen Operationen. Sie sei vielmehr ein Versuch 
gewesen, um die tiefe Sympathie Englands mit Belgien darzulegen. 
Die „Morning Post“ bemerkt dazu am 15. folgendes: Eine große 
Stadt in den Schrecken einer furchtbaren unnötigen Beschießung hinein- 
zuziehen, ist der Ausdruck einer Sympathie, auf die das belgische Volk sicher 
verzichtet haben dürfte. Was die Verantwortung anbetrifft, braucht man 
uns nicht zu sagen, daß die Expedition nicht ohne Zustimmung der Kol-
	        
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