706 Vortusel. (Mai 15. 17.)
Dr. Alvaro Castro, der den militärischen Teil übernimmt, ferner der Post-
minister, der bereits beim Sturz des Königtums die Organisierung der
Carbonari geleitet hat und nun die Gruppierung der Zivilisten durchführt,
und Kapitän Rego, der die Flotte aufwiegelt.
Infolge des Aufstandes kommt es zu einem Kabinetts-
wechsel.
Das Ministerium Pimento de Castro nimmt seine Entlassung. Der
Präsident der Republik bestätigt das folgende neue Kabinett: Vorsitz und
Inneres: Joao Chagas, Justiz: Paola Falcao, Finanzen: Barros Queiros,
Krieg: Basilio Telles, Marine: Fernandez Costa, Auswärtige Angelegen-
heiten: Alves Veiga, Oeffentliche Arbeiten: Magalhaes Lima, Unterricht
und bis zum Eintreffen des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten in
Lissabon auch provisorisch Auswärtige Angelegenheiten: Jose Castro. Der
frühere Premierminister Pimento de Castro wird festgenommen und an Bord
des Kriegsschiffs „Vasco de Gama“ gebracht; ebenso wird der frühere Marine-
minister LKavier Brito verhaftet, weil er dem Unterseeboot „Espadarte“ be-
fohlen haben soll, die Schiffe, die auf Lissabon feuerten, zu versenken.
15. Mai. (Porto.) Es finden große Kundgebungen statt.
Zur Wiederherstellung der Ruhe muß republikanische Garde heran-
gezogen werden.
Ueber die Ursache der Revolution melden die „Times“ aus Oporto,
daß eine revolutionäre Bewegung der demokratischen Partei gegen die
Regierung des Generals Castro nicht unerwartet gekommen sei. Die demo-
kratische Partei, an deren Spitze Affonso Costa steht, habe eine Partei-
politik ohnegleichen getrieben und ihre Mitglieder in der rücksichtslosesten
Weise begünstigt. Ihre Mehrheit verdankte sie den sogenannten Carbonaris
(Geheimgesellschaften), von denen zahlreiche Mitglieder Aemter erhalten
hatten und die sich sogar in das Heer eingedrängt und dort allerhand Fälle
von Disziplinlosigkeit hervorgerufen hätten. In dem Orte Figueira da Foz
habe ein Offizier, der zugleich Carbonari sei, die Entfernung seines Maiors
verlangt. Eine Abordnung von Offizieren habe sich zum Kriegsminister
begeben, um sich diese Art des Eingreifens des Offiziers zu verbitten.
Auf dem Wege seien sie verhaftet worden. Als andere Offiziere von Lissabon
davon erfahren hätten, seien sie den Verhafteten in das Gefängnis gefolgt.
Auch aus dem ganzen Lande seien Offiziere angekommen. Um die ent-
stehenden Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, forderte der Präsident
das demokratische Mitglied Hugo Azevedo Coutinho auf, seine Entlassung
als Minister zu nehmen, und dann General Castro, eine neue Regierung
zu bilden, die aus Mitgliedern der gemäßigten, konservativen und republi-
kanischen Parteien bestände. Die duldsame Politik Castros sei den Demo-
kraten ein Dorn im Auge gewesen, und dies sei der Anlaß zu den ge-
waltsamen Handlungen gewesen, zu denen sie in den letzten Tagen über-
gingen.
17. Mai. (Lissabon.) Es brechen neue Unruhen aus, beie
denen wiederum an 100 Personen getötet wurden.
17. Mai. Der neue Ministerpräsident Chagas, der sich
von Oporto nach Lissabon begeben will, um sein Amt anzutreten,
wird auf dem Bahnhofe von Entrocamiento von dem Senator Joao
Freitas durch Revolverschüsse schwer verletzt. Freitas wird von