124 Beutsches Reich. (Februar 14.—17.)
Gerade jetzt, wo die Bevölkerung gezeigt hat, was sie für das Vaterland
leisten kann im Bewußtsein, es für das Vaterland und nicht für bestimmte
Ideen zu tun, die von einer ganz bestimmten Stelle ausgehen könnten.
Bei der Verwaltungsreform stimme ich im wesentlichen mit Herrn
v. Zedlitz darin überein, daß die Miuttelinstan zen ausgeschaltet und die Be-
fugnisse der Landräte verstärkt werden sollen. Voraussetzung dafür ist aber
eine andere Zusammensetzung der Kreisvertretung. ZJetzt fällt hier ein
gewisses Uebergewicht den Vertretern derienigen Schichten zu, die dem
Landrat politisch und sozial am nächsten stehen. Dagegen muß zunächst ein
Gegengewicht durch eine demokratische Ausgestaltung der Kreisvertretung
geschaffen werden. Als weiteres Gegengewicht wäre eine Abtrennung der-
jenigen Verwaltungszweige zu erachten, die sich für eine Vereinheitlichung
eignen. Die Frage der Entpolitisierung der Landräte ist durchaus nicht
unlösbar; die Lösung setzt natürlich guten Willen voraus. Im Westen
Deutschlands ist eine Reihe von Landräten, die gar nicht in Politik arbeiten.
Der Stlandpunkt zur Frage der Konfessionalität muß klipp und klar der
sein, daß niemand seiner Religion wegen zurückgesetzt werden kann. Die
Tätigkeit der Landräte erkennen wir durchaus an. Wie alle unsere Be-
amten, so hat auch der Landrat seine Schuldigkeit getan, er hat vielleicht
noch mehr getan, dafür wollen wir unsern Landräten dankbar sein. Das
hat aber selbstverständlich mit der politischen Stellung des Landrats nichts
zu tun. Die Verhandlungen von 1911 haben aber ein großes Material
dafür beigebracht, daß doch ein erheblicher Teil unfrer Landräte sich politisch-
agitatorisch weit über das Maß hinaus betätigt hat, das man selbst in
Preußen von einem Landrat erwarten sollte. Die Auswahl nicht nur der
Landräte, sondern auch der höhern Beamten kann anders werden. Der
Minister kann ein Rundschreiben an die Landräte erlassen, worin er ihnen
zur Pflicht macht, sich jeden Eingriffs in die Wahl zu enthalten und jeden
Landrat mit sofortiger Zurdispositionstellung bedrohen, der diese ministerielle
Anweisung überschreitet. Der Minister hat die Frage der Neuorientierung
auch nicht gelöst, noch nicht einmal eine Definition gegeben. Das bestärkt
auch darin, daß es sich nicht um Gesetze, sondern um den Geist der Ver-
waltung handelt. Das Wort ist vieldentig, fast phrasenhaft. Ich meine
damit den Geist der vollkommenen Unparteilichkeit, der Achtung der andern
Ueberzeugung, das Bewußtsein, die Staatsmacht nicht gegen, sondern mit
der Bevölkerung auszuüben, Aufgabe jedes Standes- und Klassenbewußt-
seins. Wenn dieser Geist unsre Verwaltung durchdringt, wird uns auch
im Frieden die große einheitliche Stimmung und die Hingabe an den
Staat erhalten bleiben, die jetzt unser herrliches Volk erfüllt und die uns
zum sichern Siege über unsere Feinde führen wird. (Lebh. Beif. I.)
Der Haushalt des Ministeriums des Innern wird hierauf genehmigt.
Die Petition des „Reichsverbandes der deutschen Presse“ um Beschränkung
der Zeusur wird der Regierung als Material überwiesen.
17. Febr. — Minist. d. Inn. (Medizinalwesen). Hierzu liegen
zwei Anträge des Haushaltsausschusses vor, zur Förderung von Säug-
lingsfürsorgestellen besondere Mittel in den nächsten Haushaltsplan
einzustellen, und zur Unterhaltung solcher Säuglingsfürsorgestellen Beihilfen
zu gewähren, sowie bei den Beratungen über die Bevölkerungspolitik die
Beibehaltung der Reichswochenhilfe in Erwägung zu ziehen.
Nach dem Berichte des Abg. v. d. Osten (Kons.) über die Ausschuß-
verhandlungen spricht Abg. v. Kessel (Kons.): Die Probleme der Bevölke-
rungspolitik sind durch den Krieg aktuell geworden; denn wir haben
jetzt gesehen, welche Gefahren die Verminderung der Bevölkerung für ein
Land bringen muß. Deshalb müssen auf diesem Gebiet so schnell wie mög-