200 Beuisches Reich. (Februar 27.—März 2.)
Situation so handeln zu müssen, weil wir, offen herausgesagt, die Be-
fürchtung hatten, daß durch unkluge Aeußerungen von einer bestimmten
Stelle dieses Hauses den gegnerischen Regierungen eine gar zu bequeme
Möglichkeit geboten worden wäre, das Friedensangebot Deutschlands
abzulehnen. Weil uns aber die Sache des Friedens über alles ging, haben
wir in dieser besonderen Situation gegen die Debatte gestimmt. Die Re-
ierungen der Mittelmächte haben den feindlichen Regierungen die Vor-
schtäge mit denen sie auf die vorgeschlagene Konferenz gehen wollten, nicht
näher bezeichnet. Es hat sich infolgedessen großer Streit darüber entwickelt,
ob diese Vorschläge wirklich mit den Kriegszielen der Sozialdemokraten
so, wie wir sie hier wiederholt öffentlich formuliert haben, übereinstimmen.
Mir scheint ein solcher Streit sehr müßig zu sein, denn bei solchen Kon-
ferenzen kommt es wahrhaftig nicht darauf an, wie sie anfangen, sondern
wie sie aufhören, und ich bin felsenfest überzeugt, daß das Ergebnis einer
solchen Konferenz, so früh oder so spät sie stattfinden mag, nicht wesentlich
anders ausfallen wird, als das, was meine Freunde hier wiederholt als
das deutsche Friedensprogramm skizziert haben. Im übrigen bin ich aller-
dings der Meinung, daß ein noch deutlicheres Aussprechen dieses unaus-
bleiblichen Ergebnisses in dem deutschen Friedensangebot mehr genützt als
geschadet hätte. Allerdings — nach den Erfahrungen, die man bisher ge-
macht hat, kann man sich der Möglichkeit nicht verschließen, daß ein klipp
und klar ausgesprochener Verzicht auf Eroberungen die Energie der feind-
lichen Kriegsparteien noch mehr gestärkt hätte. Es hätte freilich auch der
Friedensbewegung ein solches deutliches Angebot drüben mächtig Nutzen
stiften können, und darauf war natürlich unsere ganze Politik einzurichten.
Man wird uns heute sagen, daß unsere Arbeit ihr Ziel nicht erreicht hat.
Dem entgegne ich: Ständen wir heute vor derselben Situation wie damals,
wir würden genau so handeln, wie wir damals gehandelt haben. Soll es
einmal zum Frieden kommen, den die Welt sehnsüchtig verlangt, so muß
in jedem Lande eine starke Strömung vorhanden sein, die sich einer ufer-
losen Eroberungs- und Bis-ans-Ende-Politik entgegenwirft und der Re-
gierung den Weg zur notwendigen Selbstbeschränkung zeigt und erleichtert.
Anders werden wir überhaupt nie zum Ende kommen. Als die Gegner in
ihrer berüchtigten Antwort an Wilson ihre Eroberungspolitik rücksichtslos
enthüllten, hat sich der entschiedenste Wille zur Verteidigung in unserem
Lande wieder hoch und entschlossen aufgerichtet. Es gab nur eine Stimmung
im Volke: Lieber alles andere als einen solchen Frieden. Als das Friedens-
angebot gemacht wurde, sahen wir unsere Aufgabe darin, alles nur mög-
liche zu tun, damit es in absehbarer Zeit zu einer Konferenz kam, und
weiter alles zu tun, damit die eigene Regierung sich nicht von den An-
nexionspolitikern zu Forderungen drängen ließe, die das Zustandekommen
des Friedens wieder in Frage stellten. Die Antwort der Gegner an den
Präsidenten Wilson machte einen Strich durch unsere Rechnung. Jeder-
mann hatte wohl erwartet, daß die Gegner nicht ohne Zieren und Sträuben,
nicht ohne Betonung ihrer eigenen Stärke, nicht ohne tastende Versuche zu
Vorrerhandlungen die deutsche Einladung zu einer Konferenz annehmen
wüeden. Aber eine so brutale herausfordernde Sprache, ein so wahnsinniges,
allen Tatsachen Hohn sprechendes Siegesprogramm, das hatten wohl nur
ganz wenige von jener Seite erwartet. Was man auch jenseits der Grenzen
über die Entstehungsursachen dieses Krieges sagen mag, diese neue Blut-
schuld, die sie auf sich geladen haben durch die brutale Ablehnung des
Friedensangebots, werden sie nimmermehr abwaschen können. Was war
nun, angesichts des ausgesprochenen Willens der Gegner, den Krieg
fortzusetzen, zu tun? Daß wir unsere Kräfte bis zum äußersten an-