Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Erster Teil. (58a)

240 Veutsches Reich. (März 3.) 
daß mitten im blutigen Kampfe Deutsche und Vlamen sich bewußt werden, 
daß in dem Ringen gegen das Vordringen des Welschtums gleiche Wege 
uns zu gleichen Zielen führen müssen. Viel Kampf und Arbeit liegt noch 
vor uns. Das darf und wird mich aber nicht hindern, Ihnen schon jetzt 
die Hand zu reichen zu gemeinsamer Arbeit. 
S. M. der Kaiser, dem ich von Ihrem Wunsche, mit der Reichsleitung 
in Verbindung zu treten, Meldung gemacht habe, hat voll aufrichtigen 
Mitgefühls für die Schicksale des vlämischen Volkes seinen Willen zu er- 
kennen gegeben, den berechtigten, von Ihnen vorgetragenen Wünschen, 
soweit es die Kriegslage und die militärischen Notwendigkeiten erlauben, 
entgegenzukommen. In Ausführung dieser Befehle S. M. habe ich 
Ihnen folgendes zu eröffnen: „Der Herr Generalgouverneur hat seit langem 
in Uebereinstimmung mit mir und in Uebereinstimmung mit den Worten, 
die ich im April v. J. im Reichstage sprach, vorbereitende Maßnahmen 
erwogen und eingeleitet, die darauf hinzielen, dem vlämischen Volke die 
ihm bisher versagte Möglichkeit einer freien kulturellen und wirtschaftlichen 
Entwicklung zu geben und damit den Grundstein zu legen für diejenige 
Selbständigkeit, die es zu erringen hofft, aber aus eigener Kraft kaum wird 
erreichen können. Ich weiß mich daher mit dem Herrn Generalgouverneur 
einig, wenn ich Ihnen die Versicherung gebe, daß diese Politik, die, wie 
Sie selbst anführten, mit den Grundsätzen des internationalen Rechts im 
Einklang steht, mit allem Nachdruck fortgesetzt wird und noch während der 
Okkupation mit dem Ziele der völligen Verwaltungstrennung durch- 
geführt werden muß, wie sie in beiden Teilen Belgiens schon seit langem 
gefordert wird. Die Sprachengrenze muß so bald wie möglich zur 
Grenzscheide zweier unter dem Befehl des Herrn Generalgouverneurs 
geeinter, aber sonst getrennter Verwaltungsgebiete werden. Der gemein- 
samen Arbeit der deutschen Behörden mit den Vertretern des vlämischen 
Volkes wird es gelingen, dieses Ziel zu erreichen. Die Schwierigkeiten sind 
nicht klein, aber ich weiß, daß sie überwunden werden können bei selbstloser 
Mitarbeit aller der Männer unter den Vlamen, die in tiefem Pflichtgefühl 
erkannt haben, welche Aufgaben ihnen die Vaterlandsliebe in diesen ent- 
scheidenden Zeiten stellt. Daß die Vlamen aus sich selbst heraus sich dieser 
Pflicht bewußt geworden sind, beweist mir Ihr am 4. Febr. gefaßter Ent- 
schluß, und Ihre Einigkeit begrüße ich als die beste Sicherheit für das 
Gelingen unseres Werkes. Gern werden wir deshalb auch mit dem „Rat 
von Flandern“ die Mittel beraten, die uns zu dem erstrebten Ziele führen 
sollen. Das Deutsche Reich wird bei den Friedensverhandlungen 
und über den Frieden hinaus alles tun, was dazu dienen kann, 
die freie Entwicklung des vlämischen Stammes zu fördern und 
sicher zu stellen.“ 
Diese Versicherungen nehmen Sie mit, m. H., in Ihre schöne Heimat 
und sagen Sie den Söhnen der „Mutter Flandern“, daß wir Deutsche 
entschlossen sind, das Unsere zu tun, damit aus Not und Krieg sie zu 
neuem Blühen erwachsen möge. 
3. März. Der Beirat des Kriegsernährungsamts berät 
den Wirtschaftsplan 1917/18 und die Neuregelung der Preise 
für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse der nächsten Ernte. 
Aus den einleitenden Ausführungen des Präsidenten des Kriegs- 
ernährungsamts v. Batocki und seines Stellvertreters, des bayerischen 
Ministerialdirektors v. Braun, ist folgendes hervorzuheben: Zur Sicherung 
einer möglichst großen Erzeugung sei es unbedingt nötig, den Wirtschafts-
	        
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