VBeutsches Reich. (April 24.—Mai 1.) 443
nommen, und es wurde beschlossen, am 17., am andern Tage, die Arbeit
wieder aufzunehmen. Das geschah auch in zahlreichen Betrieben.
Bis dahin hatte ich die Minderung der Produktion durchaus ruhig
hingenommen, um eben einmal den Arbeitern Gelegenheit zu lassen, sich
nun von dieser Depression zu erholen. Jetzt trat aber eine ganz scharfe
Wendung in der Sache ein,. Vom 18. April ab traten politische Dinge
in den Vordergrund und damit hörte die Gemütlichkeit in der Sache auf
— das muß ich ganz scharf erklären —. Und woher rührten diese politi-
schen Dinge? Ihnen allen ist das Leipziger Programm und das ganz
unverschämte Telegramm an den Reichskanzler bekannt. Der Inhalt ist
eine ganze Reihe politischer Forderungen, Wahlrechtsforderungen, vor allem
aber zum Schluß Einsetzung eines Arbeiterrates nach russischem Muster,
und zu dem Zwecke sollte der Reichskanzler eine Deputation empfangen.
Das war toll, mehr als toll! Und diese politischen Momente sind hierher
übertragen worden, sind in die deutschen Waffen= und Munitionsfabriken.
hineingetragen worden und die Unerfahrenheit und Gutmütigkeit und Ehr-
lichkeit der Arbeiter ist mißbraucht worden. Wir haben auch Beweise,
daß aus dem Ausland Agitationsmaterial hereingeschmuggelt
wurde. Es sind solche Schmuggelwaren in unsere Hände gefallen. Ueber
die Logik solchen Agitationsmaterials brauche ich kein Wort zu verlieren.
Nun halte ich es doch für nötig, gerade am hentigen Tage noch einige
Worte zu sagen und meine persönliche Auffassung für die Zukunft Ihnen
darzulegen. Es wird morgen von mir ein Aufruf an die Rüstungsarbeiter
in ganz Deutschland verbreitet (s. S. 460 f.). Ich verlange, daß die
Streiks aufhörenl Es gibt keine Streiks mehr, und wir werden rücksichts-
los gegen die Drahtzieher vorgehen. Und wir werden diese volitischen
Landesverräter treffen mit der ganzen Macht des Gesetzes.
(Bravol) Aber wenn wir von den Arbeitern verlangen, daß sie bei der
Arbeit bleiben und daß sie unentwegt bis zum glücklichen Ende des Krieges
auf jeden Streik verzichten, und zwar aus innerer Ueberzeugung verzichten
— und dazu müssen sie ausgeklärt werden —, wenn wir das von ihnen
verlangen, müssen wir aber auch vernünftig sein und etwas anderes tun.
Wir müssen den Arbeitern unter allen Umständen Sprachrohre geben, durch
die sie ihre Wünsche rechtzeitig, richtig und an die richtigen zuständigen
Stellen bringen können. Welches sind diese Sprachrohre? Ich habe schon
vor längerer Zeit an die Regierungen den Rat gegeben, in die Lebens-
mittelorganisationen der Provinz und der Kommunen Arbeiter-
vertreter hineinzunehmen, damit sie selbst mitarbeiten und mitwirken,
damit sie sehen, wie die Dinge stehen, und welche Maßregeln möglich sind,
damit sie auf diese Weise wieder zurückwirken können auf ihre Kameraden.
Ich hoffe, daß diesem Rat in weitestem Maße Folge gegeben wird, und
ich habe mich erneut noch einmal an den preußischen Staatskommissar in
dieser Richtung gewandt. Das ist nicht, wie in einigen Zeitungen be-
sprochen wurde, eine politische Maßregel, nicht eine Sozialdemokratisierung
der Ernährungspolitik, das ist nichts anderes als eine immens praktische
Maßregel, wie wir sie jetzt in dieser Situation für die Durchführung des
Krieges gebrauchen. Also ich verurteile die Presse, die nun aus dieser
Maßregel heraus und darum nach der andern Richtung politische Draht-
zieherei betreibt. Das ist das eine Sprachrohr. Nun das zweite. Wir
haben das Hilfsdienstgesetz. Dieses gibt den Arbeitern bestimmte Rechte,
die der Reichstag gewollt hat, und durch dieses Sprachrohr müssen alle
Beschwerden und alle Lohnfragen ihren Austrag finden, und ich werde
ebenso, wie ich einerseits gegen die Streikhetzer vorgehe, ebenso scharf vor-
gehen gegen diejenigen, die die Rechte, die die Arbeiter bekommen haben