452 Bealsches Reich. (April 24.—Mai 1.)
und Juni tritt regelmäßig eine starke Verringerung der Bestände ein, die
Zufuhren decken in diesen Monaten auch in normalen Jahren nicht den
Verbrauch. Im Juni 1914 und 1915 betrug der sichtbare Bestand nur
noch rund 2 Mill. Quarters, das entspricht einem Bedarf von knapp drei
Wochen. Wir haben keinen Grund anzunehmen, daß in diesem Jahre sich
die Dinge günstiger entwickelt haben sollten. Dafür sprechen die noch ver-
öffentlichten Einfuhrzahlen des Jan. Die Einfuhr an Brot- und Futter-
getreide — ich nehme angesichts der engl. Streckungsvorschriften alles zu-
sammen — betrug nur 12,6 Mill. Quarters, gegen 19,8 und 19,2 in den
beiden Vorjahren. Für den Febr. verzeichnet die engl. Statistik eine Stei-
gerung des Einfuhrwertes der unbenannten Einfuhrmengen der sämtlichen
Getreidearten von 50% gegenüber dem Febr. 1916. Dies gibt bei einer
dem Jan. entsprechenden Verteilung der Gesamtmenge auf die einzelnen
Getreidearten angesichts der Preissteigerung, die inzwischen eingetreten iß,
ungefähr die gleiche Einfuhrmenge wie im Vorjahre. In Anbetracht der
stark zurückgegangenen Getreideverschiffungen Amerikas und angesichts der
eringen Menge, die aus Australien und Indien angekommen sein kann,
ist dieses Ergebnis wenig glaublich. Wir dürfen annehmen, daß der März
eine weitere Verschlechterung gebracht hat, und daß heute, in einer Zeit,
wo wir uns dem Dreiwochenbestand an sichtbarer Ware nähern, die engl.
Vorräte geringer sind als in den Vorjahren. Die Engländer selbst be-
stätigen dies. Lioyd George hat im Febr. gesagt, die britischen Getreide-
vorräte seien geringer als jemals seit Menschengedenken. Ein boher Be-
amter des engl. Landwirtschaftsministeriums, Sir Allwyn Fellown, hat An-
fang April in einer landwirtschaftlichen Versammlung hinzugefügt, er fürchte,
daß infolge des für England überaus ernsten U-Bootkrieges diese Lage sich
noch erheblich verschlechtert habe. Captain Bathurst vom britischen Kriegs-
ernährungsamt hat kürzlich, am 19. April, ausgesprochen, der gegenwärtige
Verbrauch an Brotstoffen gehe um 50 % über die vorhandenen und in
Aussicht stehenden Vorräte hinaus. Eine Herabsetzung des Brotverbrauchs
um ein volles Drittel sei notwendig, um durchzukommen. Kurz zuvor hatte
Mr. Wallhead, der Abgeordnete für Manchester, auf der Konferenz der un-
abhängigen Arbeiterpartei in Leeds ausgeführt, nach seinen Informationen
werde sich England in 6 bis 8 Wochen im Zustande völliger Hungersnot
befinden. Die Krisis, in der England sich befindet — wir können es heute
schon ruhig eine Krisis nennen — wird verschärft durch die Tatsache, daß die
Versorgung Englands mit den andern wichtigen Nahrungsmitteln
sich gleichfalls ungünstig gestaltet hat. Die Fleisch einfuhr zeigt im Febr.
1917 den niedrigsten Stand seit Jahren mit der einen Ausnahme des Sept.
1914. Der starke Rückgang der Buttereinfuhr — im Febr. 1917 nur halb
soviel als im Vorjahr — wird durch die von England mit allen Mitteln
geförderte Margarineeinfuhr nicht entfernt wettgemacht. Auch die Einfuhr
von Schmalz — Hauptbezugsland die Ver. Staaten — läßt unter der
Einwirkung der schlechten amerikanischen Futterernte nach. Der Preis für
Schmalz ist in Chicago von 15 ½ Cts. Anfang Jan. 1917 auf 21 ½ Cts.
am 25. April gestiegen, die Schweinepreise in derselben Zeit von 9,80 auf
15,65 Dollars. Die schlimmste Verschärfung der Getreidenot ist jedoch für
England der geradezu katastrophale Kartoffelmangel. Die Ernte in Eng-
land war die schlechteste seit einem Menschenalter. Die Zufuhr ist gänzlich
unbedeutend. Captain Bathurst hat am 19. April erklärt, daß in etwa
4 Wochen die Kartoffelvorräte Englands völlig aufgebraucht seien. Der volle
Ernst der Lage steht heute den engl. Staatsmännern vor Augen. Bisher
haben sie geglaubt, mit freiwilliger Sparsamkeit die Gefahr beschwören zu
können. Jetzt sehen sie sich zu Zwangsmaßregeln genötigt. Ich glaube, es