478 Beutsches Reich. (Mai 3.—7.)
notwendigen Bedarf für das Heer und darin, daß in vielen Fällen für
uns notwendige Waren versteckt worden seien.
Abg. Cohen (Soz.) kritisiert die Zustände in Litauen unter dem
Fürsten Isenburg-Birstein und seinem Untergouverneur VYorck von Warten-
burg. Letzterer sei endlich seines Amtes entsetzt worden. Der Fürst habe
die politische Presse unterdrückt, Spitzelwirtschaft gestiftet, die Lebensmitrel-
versorgung vernachlässigt.
Abg. Gothein (Fortschr. Vp.) bestätigt diese Klagen. Ein Wechsel in
der Verwaltungspraxis wie in der Person des Leiters sei dringend nötig.
Am 5. gibt zunächst Ministerialdirektor Dr. Lewald Auskunft über
die Organisation der Verwaltung in Ober-Ost, die der Militärverwaltung
unterstehe. Der Reichskanzler habe an den gestern berührten Vorgängen in
Litauen ein erhebliches und allgemeines Interesse. Zwischen Reichskanzler
und Oberster Heeresleitung würden Verhandlungen geführt und die Be-
stellung eines ständigen Vertreters des Reichskanzlers, um enge Zusammen-
arbeit bei der Handhabung und Ausbau der Verwaltung zu gewährleisten,
werde die Beseitigung der vorgebrachten Beanstandungen in die Wege leiten.
Der Departementsdirektor im Kriegsministerium Generalmajor v. Oven
teilt mit, daß von der Gesamtanbaufläche im Gebiet Ober-Ost 1916 81 % be-
stellt worden sind, im Westen 84 %, von Rumänien seien die Zahlen noch nicht
bekannt. Man begegne vielfach der Enttäuschung, daß nicht mehr aus den
besetzten Gebieten hereinkomme. Was dort für die Truppe entnommen
werde, komme indirekt der heimischen Bevölkerung zugute. Die Bevölkerung,
die dort arbeite, müsse auch ausreichend ernährt werden. Die günstigen
Aussichten der Ernte seien durch das Wetter stark herabgemindert worden,
ganz besonders bei Hafer und Kartoffeln. Die Etappengebiete arbeiteten
tüchtig. Bei der Ausdehnung der Gebiete und der großen Zahl von Leitern
hätten sich jedoch Schwierigkeiten ergeben, die jetzt behoben seien.
Abg. Nehbel (Kons.) führt aus, die Verwaltung in Ober-Ost sei eine
ausgesprochen militärische, die für das Heer, die Heimat und die dortige
Bevölkerung arbeiten solle, welch letztere in allen ihren Teilen gleich be-
handelt werde. Leider ließen sich Härten nicht vermeiden. Der Redner
nimmt die Person und Tätigkeit des Fürsten Isenburg in Schutz. Er ver-
langt Material über die Leistungen der Verwaltung in den besetzten Ge-
bieten und spricht seine Sympathie für die Polen aus, für ihre alte Kultur
und ihre Loyalität, ist aber enttäuscht über ihr Verhalten nach der Un-
abhängigkeitserklärung.
Abg. Erzberger (Ztr.) führt die Beschwerden zum Teil auf den
Mangel an Verwaltungspersonal zurück. Die dortige Geistlichkeit habe dem
hier angegriffenen Verwaltungschef ein gutes Zeugnis ausgestellt und sich
lobend über seine Amtsführung ausgesprochen.
Abg. v. Trampczynski (Pole) bestreitet, daß seine Volksgenossen die
Juden unterdrückten; bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sei der Anti-
semitismus in Polen unbekannt geblieben. Die poln. Bevölkerung müsse
ebenso behandelt werden wie die deutsche, namentlich auch hinsichtlich ihres
Eigentums und der Lebensmittelversorgung. Er hoffe, daß die Verhand-
lungen dazu beitrügen, die vorgebrachten Beschwerden, namentlich auch
hinschnich der Beschränkung der persönlichen Freiheit in den besetzten Ge-
bieten, zu beseitigen. Der Ausnützung polnischer Arbeiter durch deutsche
Unternehmer müsse ein Ende bereitet werden.
Staatssekretär des Innern Dr. Helfferich weist darauf hin, daß bei
der notwendigen Anspannung aller unserer Hilfsquellen naturgemäß, wie
in der Heimat, so auch in den besetzten Gebieten, Härten nicht vermieden
werden könnten. Wir seien sogar gezwungen, im Inlande unsere Arbeiter-