Beutsches Reich. (Mai 4.—8.) 485
höfe der großen Verkehrsknotenpunkte in Deutschland und den besegtzten
Gebieten fördern. Ein Antrag Behrens (Dtsch. Fr.) regt eine Abänderung
des Offiziers-Pensionsgesetzes zugunsten der Pensionierten und während dieses
Krieges wieder verwandten Beamten der Heeres- und Marineverwaltung an.
Die Beratung leitet der preuß. Kriegsminister General v. Stein mit
solgenden Ausführungen ein: Während wir den Militäretat beraten, kämpft
unser Heer an der entscheidenden Front mit unvergleichlicher Tapferkeit,
Hingabe und Treue. Gegenüber diesen großartigen Leistungen unserer
Truppen sind naturgemäß manche Wünsche laut geworden, die sich auf die
Bewertung des Mannes beziehen. Es spielt da in erster Linie eine Rolle
die Behandlung. Das Kapitel der Mißhandlungen ist ja ein düsterer
Punkt. Ich bin dankbar, daß meine Vorgänger in demselben Sinne ge-
arbeitet haben, wie ich das gern beabsichtige fortzusetzen. Sie können über-
zeugt sein, daß ich rücksichtslos in dieser Sache gegen jeden vorgehen werde
und vor keinem haltmachen werde, der sich dagegen verfehlt. Ich habe,
seitdem ich Soldat bin, immer nur eine gewisse Verachtung und Wider-
willen gegen solche empfunden, die ihre Untergebenen in irgendeiner Weise
beschimpfen. Durch den Krieg sind bei uns alle verbunden. Wir haben
unsere ganze geistige Kraft zusammengetan, um einzutreten für das Vater-
land, und es ist selbstverständlich, daß die Würde des einzelnen gewahrt
werden muß. Die Frage steht in engem Zusammenhange mit manchen
anderen Fragen, in erster Linie mit der Frage der Disziplinarstraf-
gewalt. Es sind schwere Vorwürfe erhoben worden gegen eine Art der
Durchführung des strengen Arrestes durch Anbinden. Es ist keine Frage,
daß das eine schwere, sehr schwere Strafe ist, die viele Nachteile im Ge-
folge haben kann. Ich darf mitteilen, daß schon vor längerer Zeit S. M.
der Kaiser den Befehl gegeben hat, daß diejenigen Stellen, denen die Straf-
vollstreckung obliegt, sie auf das äußerste einschränken. Jeder Vorgesetzte,
der diese Strafe anordnet, ist unter strenge Kontrolle gestellt, indem er so-
sort der vorgesetzten Pflichtstelle Meldung zu machen hat über den Grund
und die näheren Umstände. Wenn mit dem Brustton der Ueberzeugung,
den ich wohl verstehe, von der Roheit der Strafe gesprochen wird, so möchte
ich auf eins hinweisen: diese harte Strafe oder eine ähnliche lann unter
Umständen am Platze sein, um Schwereres zu verhüten. So ist es vor-
gekommen, daß zu schweren Strafen Verurteilte einen Strafaufschub er-
hielten, um ihr Vergehen durch ein gutes Verhalten an der Front wieder
gutzumachen. Als sie in die Gefahrzone kamen, da machten sie halt und
erklärten an einer Brücke, sie gingen nicht weiter, sie wollten nach Hause
und ihre Strafe verbüßen. Man kann sich denken, wie das wirkt, es konnte
sofort durch diese Leute die übrige Gesellschaft mit in den Taumel gerissen
werden, und das konnte zu den schwersten Folgen führen. Wenn in einem
solchen Falle der Vorgesetzte die Geistesgegenwart besaß und sie mit drei
Tagen strengen Arrest in Form des Anbindens belegte, so konnte das eine
Rettung für viele sein. Es konnte den Vorgesetzten vor dem Schwersten
bewahren, unter Umständen von seiner Waffe Gebrauch machen zu müssen.
Glauben Sie nicht, daß ich in der Sache ohne Ueberlegung und genaue
Prüfung vorgegangen bin. Ich habe auch viele Stimmen gehört, die die
schwersten Bedenken hatten, von dieser Strafe Abstand zu nehmen. Trotz
alledem werde ich nach dem Vorgange des Obersten Kriegsherrn die nötigen
Schritte tun, damit auch diese als Schandfleck der Armee erscheinende Strafe
verschwindet. (Lebh. Beif.) Eine andere Sache betrifft die Beschwerde-
ordnung. Ich habe das Empfinden, daß die Beschwerdeordnung nicht so
rückständig ist, seitdem die Bestimmung aufgenommen ist, daß der Mann,
der sich beschweren will, sich sofort an seinen Hauptmann wendet, dadurch