Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Erster Teil. (58a)

486 Beutscheo Reic. (Mai 4.—8.) 
werden alle kleinen Zwischeninstanzen vermieden. Was man an der Be- 
schwerdeordnung vielleicht am meisten tadelt, ist, daß die ungerechtfertigte, 
leichtfertige oder falsche Beschwerde strafbar ist. Als ich in verantwortlicher 
Stellung als Hauptmann Beschwerden weitergab, bemerkte ich, daß am 
Rande die Bemerkung des Vorgesetzten stand: der Mann ist nicht zu be- 
strafen, und dieselbe Randbemerkung habe ich in meinen späteren Stellungen 
bei Meldungen ebenfalls gemacht. Es ist aber wünschenswert, daß die Sache 
nicht dem Ermessen des einzelnen überlassen bleibt, sondern daß darüber 
allgemeine Bestimmungen erlassen werden. Selbstverständlich müssen die 
bewußt unwahren Beschwerden, die alle möglichen bösen Folgen nach sich 
ziehen können, strafbar bleiben. In diesem Zusammenhang muß ich der 
Behandlung unserer Gefangenen gedenken, die beim Feinde rohen 
Strasen und Mißhandlungen ausgesetzt sind. Ich habe mich vor längerer 
Zeit hierüber des weiteren ausgesprochen. Ich würde ungerecht handeln, 
wollte ich heute nicht ebenso mitteilen, daß unsere Schritte bei den fran- 
zösischen Kommissaren ein merkwürdiges Entgegenkommen gefunden haben, 
die von uns ergriffenen Maßnahmen haben dazu geführt, daß uns die 
franz. Regierung mitgeteilt hat, sie würde alle deutschen Gefangenen in der 
Gefahrzone bis auf 30 Kilometer zurückziehen, und sie bäte, bis zum 1. Mai 
Zeit zu lassen, dann würde ihre Tätigkeit beendigt sein und dann wollte 
sie auch die Gefangenen zurückziehen. Das war ein gewisses Entgegen- 
kommen. Wir haben natürlich, als uns am 1. Mai durch Telegramm mit- 
geteilt wurde, daß die Zurückziehung durchgeführt sei, dieselbe Maßregel 
durchgeführt. Dann hat sich noch unter Mitwirkung der Schweizer Re- 
gierung der franz. Kommissar bereit erklärt, er wolle noch eine weitere 
Zurückziehung der Gefangenen durchsetzen. Die Zustimmung seiner Re- 
gierung ist bei uns noch nicht eingegangen. Das würde von ganz be- 
sonderer Bedeutung sein, weil erfahrungsmäßig die Gefangenen, je näher 
sie an der Front sind, um so schroffer behandelt werden. Dort kommen 
Ausschreitungen am ehesten vor. Leider haben wir kürzlich erfahren, daß 
einige unserer gefangenen Flieger unmittelbar an der Front unwürdig be- 
handelt worden sind, um ihnen alle möglichen Angaben über unsere Lage 
zu erpressen. Wir haben die franz. Regierung nicht im Zweifel gelassen, 
daß wir sofort Gegenmaßregeln in ähnlicher Weife ergreifen würden, und 
ich habe die Oberste Heeresleitung ersucht, in diesem Sinne an der Front 
zu verfahren. Einen Punkt will ich noch erörtern, der sich bezieht auf die 
Position einer zweiten großen Kadettenanstalt. Es sind ja gegen die 
Kadettenanstalten mancherlei Bedenken erhoben worden. Ich glaube aber, 
das ganze System kann nicht so schlecht gewesen sein, denn die besten Namen 
sind aus den Kadettenanstalten hervorgegangen. 
Wir haben jetzt eine große Arbeit zu vollbringen. Der Büro- 
kratismus ist ja im Ernst und Scherz vielfach angegriffen worden, aber 
ich möchte hervorheben, daß durch den Bürokratismus eine volle Gewissen- 
haftigkeit der Arbeit erzielt wird. Man hat manchmal keine richtige Vor- 
stellung von der ungeheuren Menge von Arbeit, die täglich im Kriegs- 
ministerium auf uns einstürmt. Ich würde ganz unmöglich meine Auf- 
gabe durchführen können, wenn ich nicht umgeben wäre von einem Stabe 
treuer, verantwortlicher, erfahrener und arbeitsamer Menschen, die Tag 
und Nacht ihr ganzes Können in den Dienst stellen. Wenn also nicht alle 
die Wünsche und Beschwerden in dem schnellen Tempo erledigt werden 
können, wie sie die Ungeduld wohl wünschen könnte, so bitte ich das zu 
bedenken, besonders zu einer Zeit, wo wir alle die allgemeine Aufmerksam- 
keit richten müssen auf unsere kämpfenden Kameraden an der Westfront, 
und wo wir uns für verpflichtet halten, in erster Linie dafür zu sorgen,
	        
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