Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Erster Teil. (58a)

Deutsches Reich. (Mai 4.—8.) 487 
daß ihnen alles das zugeführt wird, was sie brauchen, um in diesem Riesen- 
kampf durch ihren Heldenmut das zu erreichen, was wir alle wünschen, 
einen ehrenvollen Frieden. (Lebh. Beif.) 
Abg. Schöpflin (Soz.): Wenn der Kriegsminister erklärt, der büro- 
kratische Weg sei langsam, aber sicher, so ist der Weg des Militärbüro- 
kratismus zwar sehr langsam, aber keineswegs sehr sicher; diese Er- 
fahrung haben die drei Kriegsjahre nur zu sehr bestätigt. In der Kom- 
mission hatten wir bei Beratung des Militäretats oft das Gefühl, auf dem 
Stuhle des Kriegsministers sitze ein steinerner Gast; sowenig geneigt hat 
er sich gezeigt, überhaupt auf unsere Beschwerden einzugehen. Mindestens 
mehr orientiert hätte er sein müssen. Die Kommission ist doch dazu da, 
Beschwerden zu erörtern und aus dem Wege zu räumen; geht der Kriegs- 
minister auf die Dinge aber gar nicht ein oder verweigert er uns direkt 
die Auskunft, so kann ich seine heutigen schönen Worte nur mit einigem 
Mißtrauen aufnehmen. Die Behandlung ist immer noch eine leidige 
Angelegenheit. Die tätlichen Beleidigungen im Felde sind zurückgegangen, 
aber die Zahl der Beleidigungen ist um so mehr gewachsen. Ganz be- 
sonders beklagen sich die Mannschaften, daß, sobald sie in Ruhestellung 
gekommen sind, der Drill wieder einsetzt, und zwar in der schärfsten und 
schlimmsten Weise. Daß das die Stimmung der Mannschaften nicht heben 
kann, sondern sie verbittern muß, ist doch selbstverständlich. Was den 
Leuten, die jetzt als Rekruten ausgebildet werden, an schlechter Behandlung, 
an Beschimpfungen usw. zugemutet wird, ist unerhört. Je weiter nach 
Norden, desto stärker werden die Klagen. Es ist Pflicht der Heeresver- 
waltung, ihnen ein Ende zu machen. Die Briefzensur im Felde, wenn sie 
denn schon sein muß, sollte nicht von Gefreiten oder jungen Leuten, son- 
dern von einer höheren Stelle wahrgenommen werden. Die Urlaubsfrage 
tritt immer und immer wieder in den Vordergrund, weil eine befriedigende 
Regelung noch immer auf sich warten läßt. Wer sich bei den Offizieren 
oder auf materielle Art bei den Feldwebeln beliebt machen kann, der be- 
kommt Urlaub. Die ganze Urlaubsregelung muß reformiert werden, damit 
solche Willkür ausgeschieden wird. Die Erhöhung der jämmerlichen Löh- 
nung von 33 auf 35 Pfennig ist unbedingt notwendig; möchte doch der 
Schaszsekretär endlich seinen Widerstand dagegen aufgeben. Desgleichen muß 
den Mannschaften, die zwei Jahre unter der Fahne stehen, ein zweites 
Putzgeld gewährt werden. Mit der Ernährung müssen wir verflucht 
haushälterisch umgehen, um nur überhaupt sehr knapp durchzukommen; da 
muß doppelt gerügt werden, daß das wenige, was den Soldaten gegen- 
über den Offizieren zusteht, auch nicht einmal gut zubereitet wird. Be- 
rechtigte Klagen werden auch über das Kantinenwesen erhoben. Schwere 
Klage wird darüber geführt, daß die Offiziere im Felde Vorräte der Kan- 
tinen in großen Mengen aufkaufen und durch ihre Burschen nach Deutsch- 
land schicken, während die Mannschaften so in den Zuschüssen zu ihrer 
Verpflegung verkümmert werden. In diese Wirtschaft muß eingegriffen. 
werden. Einzelne Offiziere draußen, selbst im Hauptmannsstand, halten 
sich 2 oder 3, Regimentskommandeure sogar 5 bis 6 Burschen; ein größerer 
Unfug im Felde ist kaum denkbar. Die alten 45 jährigen Landstürmer gibt 
man nicht frei von der Front; und demgegenüber steht eine solche Armee 
von Offiziersburschen! Nicht Hunderte, nein Tausende von Briefen aus 
dem Felde tragen uns diese Klagen zu, die nur ein schwacher Niederschlag 
aus diesen Zuschriften sind. Eine Ausschußresolution will die Aufhebung 
der Bestimmung, daß nur Einjährige zu Offizieren befördert werden können. 
Auch wenn das Haus die Resolution annimmt, wird danach nicht gehandelt 
werden. Wir machen ständig auch während des Krieges die Wahrnehmung,
	        
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