Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Erster Teil. (58a)

Beutsches Reich. (Mai 4.—8.) 491 
die Gegner als ihr Ziel proklamieren, ist eine Einrichtung von ausschlag- 
gebender Bedeutung für unser ganzes Volk. Die Forderung der Feinde 
zeigt, wie sehr sie ihn fürchten, und für uns ist das ein Hinweis, daß wir 
ihn hegen und pflegen müssen. Der Hauptausschuß hat seinen Dank für 
die Armee in einem Telegramm an Hindenburg übermittelt; die Soz. Arb. 
hat sich nicht beteiligt und sich damit außerhalb des deutschen Volkes gestellt. 
In dem zweiten Teil des Danktelegramms haben wir gelobt, für die 
weitere Verteidigung des Vaterlandes einzutreten. Das Gelöbnis ist zu- 
gleich auch ein Appell an die Munitionsarbeiter, die sich gerade zur Zeit 
des Telegramms im Streik befanden. Man hat uns gesagt, Arbeitgeber 
hätten sich dem Hilfsdienstgesetz widersetzt; das wäre tief bedauerlich. Weiter 
wurde auf die Ernährungsfrage hingewiesen. Wir müssen selbstverständ- 
lich bedauern, daß wir in der Ernährungsfrage einen Winter des Miß- 
vergnügens durchgemacht haben. Aber wird durch den Streik mehr Brot 
und mehr Kartoffeln herangeschafft? Das ist doch ein Ding der Unmög- 
lichkeit. Aber man schlägt eben auf die Landwirtschaft los, das ist ja jetzt 
der allgemeine Prügeljunge. Die Hauptsache ist, daß das Landvolk auf- 
geklärt wird. Aber auch die Städter müssen aufgeklärt werden. Sind die 
Industriearbeiter genügend aufgeklärt worden, daß an Nahrungsmitteln 
nach dem Friedensschluß nicht mehr da sein werden als jetzt? Der 
Weizenpreis ist bei uns 260, in England 440 M. Wird die Schiff- 
fahrt freigegeben, werden die ausländischen Schiffe nicht nach Hamburg, 
sondern nach London gehen, wo der Preis soviel höher ist. Wollen wir 
den Riesenzuschlag nicht bezahlen, so müssen wir uns auch die nächsten 
Jahre sehr nach der Decke strecken. Aber wenn keine genügende Aufklärung 
gegeben wird, ist es kein Wunder, wenn eine Explosion erfolgt. Wenn 
Herr Scheidemann ferner ohne Widerspruch der Regierung erklären darf, 
daß der Krieg nicht zu gewinnen ist, daß nur der Status quo ante er- 
reicht werden kann, dann ist es kein Wunder, wenn die unorientierten 
Massen zu Landesverrätern werden. Man hat geradezu den Gedanken groß- 
gezogen, daß die Massen, weil sie beim Kriegsausbruch nicht streikten und 
weil die soz. Fraktion die Kriegskredite bewilligte, dafür eine Belohnung 
erhalten müßten. Dadurch hat man die Begehrlichkeit der Massen groß- 
gezogen. Bisher war die Pflichttreue gegen den Staat etwas Selbstver- 
ständliches, diesen Gedanken haben die Hohenzollern großgezogen; das war 
die Zeit der festen Hand von oben und der Pflichttreue von unten. Dann 
ist man aber zum Kuhhandel übergegangen. Man kann nicht regieren, 
wenn man die Zügel am Boden schleifen läßt. Aus der gestrigen 
befriedigenden Rede des Generals Groener habe ich die Hoffnung geschöpft, 
daß jetzt endlich mit diesem System Schluß gemacht werden wird. (Ruf 
bei den Soz.: Hurral) Redner bespricht dann die vorgeschlagenen Re- 
solutionen. Der Abg. Schöpflin sagte, der Kriegsminister sei nicht bereit 
gewesen, Klagen in der Kommission zu beantworten. Ich habe diesen Ein- 
druck nicht gehabt. Er hat ein warmes Herz für die Soldaten, das ist die 
Hauptsache, wenn er auch als Soldat knapp in Worten ist. Ich hoffe, daß 
unser herrliches Heer stets der Fels im Meere und die Furcht unserer 
Feinde bleiben wird. (Beif.r.) 
Abg. Held (Natl.): Im Auftrage meiner Fraktion habe ich unseren 
tiefen, ehrfurchtsvollen Dank und unsere Bewunderung auszusprechen für 
die Taten unserer herrlichen Armee. Der Kriegsminister hat auch gestern 
gezeigt, daß er unser Vertrauen verdient; das Mißtrauen des Abg. Schöpflin 
darf nicht unwidersprochen bleiben. Der Kriegsminister ist ein hervor- 
ragender Soldat und ein hervorragender Mensch, das Volk darf ihm ver- 
trauen. Die Verhandlungen in dem Ausschuß waren diesmal ziemlich ruhig,
	        
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