Bie ãsterreitisq · nngarisce Nenartit. (Juni 12. - 16.) 101
gesprungen werden, ja die Regierung entschloß sich — ganz abgesehen von
den unmittelbaren Zuschüssen an die Staatsangestellten — ohne Scheu vor
der Höhe des Aufwandes und vor der Tiefe des Eingriffes in volkswirte
schaftliche Bestände, mit staatlichen Geldmitteln und durch staatliche Vorrats-
beschaffung den bedrängten Schichten der Bevölkerung zu helfen. Keine aller
dieser Maßnahmen erhebt den Anspruch, über die Kärte erhaben zu sein,
und das stete Bestreben der Regierung, in genauer Fühlung mit den ein-
sichtsvollen Vertretern der beteiligten Kreise vorzugehen, ihre Bereitwilligkeit,
als nicht zweckmäßig Erkanntes sofort abzuändern und soweit als möglich zu
verbessern, sichert sie wohl vor dem Verdachte der Selbstzufriedenheit und Eigen-
willigkeit. Aber sie darf auch die Berücksichtigung des Umstandes in Anspruch
nehmen, daß eine noch so sachgemäße Kritik die Grenze nur schwer feststellen
kann, wo unbefriedigende Zustände durch fehlerhafte Maßnahmen und wo sie
durch unüberwindliche sachliche Schwierigkeiten hervorgerufen sind. In allen
kriegführenden, ja selbst in den neutralen Staaten, wo man doch aus großen
auswärtigen Reservoirs zu schöpfen vermag, haben sich infolge der langen
Dauer des Krieges ähnliche Schwierigkeiten wie bei uns ergeben, man sucht
sie mit ähnlichen Mitteln zu bekämpfen, und man findet auch dort keine
volle Zufriedenheit mit den erzielten Resultaten. Vor allem aber wird das
hohe Haus eins nicht übersehen: Niemand auf der ganzen Welt hätte von
vornherein es für möglich gehalten, daß wir, beschränkt auf unsere Kräfte,
einen Krieg von solchen Dimensionen durch mehrere Jahre auszuhalten ver-
möchten. Das dritte Kriegsjahr geht zu Ende, der innere Betrieb funktioniert
auch heute noch, und er wird, wenn die schwierige Zeit an der Wende
des Erntejahres überwunden sein wird, sogar besser funktionieren. Dies
danken wir neben dem ungeahnten Reichtum unserer eigenen Ressourcen
vor allem der Einsicht, Opferwilligkeit und Seelenstärke einer
wahrhaft staatstreuen Bevölkerung. Indem die Regierung diesem
stillen Heldentum freudig den Zoll der Bewunderung abstattet, darf sie
doch vielleicht hoffen, daß die Größe des gemeinsamen Erfolges gegenüber
der Kritik der einzelnen Maßnahmen für die Würdigung dher# Gesamtheit.
einigermaßen in die Wagschale fallen kann. In dem riesenhaften Komplex
der wirtschaftlichen Fragen unserer Konsolidierung nach dem Kriege
greifen staatsfinanzielle und volkswirtschaftliche Elemente eng ineinander.
Die Leistungsfähigkeit des Staatswesens vermag den ungeheuren finanziellen
Anforderungen der Kriegführung restlos gerecht zu werden. Das Erfordernis,
dauernd zu fundieren und damit das Gleichgewicht im Staatshaushalte
zurückzugewinnen, ist nur auf der Grundlage einer gefestigten, in un-
gestörtem Aufschwunge befindlichen Volkswirtschaft möglich. Die Wieder-
herstellung unserer Valuta steht im innigsten Zusammenhange mit den all-
gemeinen Bedingungen unserer künftigen Produktion, mit der Möglichkeit der
Ergänzung der Rohstoffe, mit jenen tausendfältigen Beziehungen komplir
ziertester Art, die sich aus den Verhältnissen von Geldwert, Zahlungsbilanz
und Handelsbilanz ergeben. Der Staat braucht reichlichere Einnahmen:
u diesem Zwecke werden die vorhandenen Quellen intensiver auszunützen
fein, aber es müssen namentlich im Hinblick auf die außerordentliche Steige-
rung der Staatsschuld auch neue Wege gesucht werden. Das Finanzproblem
der Zukunft ist nicht nur eine Frage der Summe, sondern vor allem auch
eine Frage der Verteilung. Diese muß nach der Leistungsfähigkeit des
einzelnen richtig und sorgfältig abgestuft sein, es aber auch vermeiden, den
Unternehmungsgeist und die Produktionsfähigkeit zu beeinträchtigen und
damit die Impulse der Entwicklung zu hemmen. Die Kriegswirtschaft ist
notwendigerweise gekennzeichnet durch Einseitigkeit und Gebundenheit. Die
Ziele der Friedenswirtschaft sind in der Richtung der Freiheit und der