Mie öerreichisch-ungarische Monarcie. (Oktober 2.) 185
meisten Punkten anderer Ansicht als Herr Lloyd George, aber darin, daß.
es keinen Revanchekrieg mehr geben sollte, darin finden wir uns.
Die Frage der Entschädigungen, welche die Entente immer wieder
aufwirft, gewinnt einen merkwürdigen Charakter, wenn man die Ver-
wüstungen bedenkt, welche ihre Armeen in Galizien, der Bukowina, Tirol,
am Isonzo, in Ostpreußen, in den türkischen Gebieten und den deutschen
Kolonien angerichtet haben. Hat die Entente ihrerseits die Absicht, uns.
für alles das schadlos zu halten, oder irrt sie so vollkommen in der Be-
urteilung unserer Psyche, daß sie eine einseitige Vergütung erhofft? Fast
könnte ich letzteres glauben, nach manchen Reden zu schließen, die wir ge-
hört haben. Die Entente liebt es ja bekanntlich, ihre programmatischen.
Ausführungen mit starken Worten zu zieren. Ich bin darin etwas anderer
Ansicht. Ich glaube, die Stärke eines Staates liegt nicht in den starken
Worten seiner führenden Männer, sie steht im Gegenteile gewöhnlich im
umgekehrten Verhältnisse zu denselben. Nicht mit hochtönenden Phrasen
wird dieser Krieg entschieden werden. Was haben wir nicht schon alles.
gehört in diesen Kriegsjahren: wir haben gehört, Deutschland werde
vernichtet und die Monarchie zerstückelt werden, dann gab man es billiger,
man wollte sich damit begnügen, unsere internen Verhältnisse umzugestalten,
jetzt scheinen sich unsere Gegner in einer dritten Phase zu befinden, indem
sie weder unsere Existenz noch unser staatliches Selbstbestimmungsrecht als.
Bedingungen verlangen, sondern mehr oder weniger große Grenzrektifika=
tionen fordern. Es werden dem noch andere Phasen folgen, obwohl die
Majorität der Bevölkerung in allen feindlichen Ländern heute bereits be-
stimmt auf der Basis jenes Verständigungsfriedens steht, den wir in
der österreichisch--ungarischen Monarchie als erste und bereits vor einem
halben Jahre vorgeschlagen haben und dessen Grundprinzipien ich soeben
neuerlich erörtert habe. Wir suchen unsere Stärke nicht in großen Worten:
wir suchen und finden sie in der Kraft unserer glorreichen Armeen, in der
Festigkeit unserer Bündnisse, in der Standhaftigkeit unseres Hinterlandes
und in der Vernunft unserer Kriegsziele; und weil wir keine Utopien for-
dern und weil ein jeder Bürger der Monarchie, ob im Felde oder daheim,
weiß, wofür er kämpft, deshalb sind wir auch sicher, unser Ziel zu er-
reichen. Wir sind nicht zu beugen, wir sind nicht zu vernichten. Im Be-
wußtsein unserer Kraft und in völliger Kkarheit darüber, was wir erreichen
wollen, aber auch erreichen müssen, gehen wir unseren Weg; wir in der
österreichisch-ungarischen Monarchie, wir haben jene rückläufige Linie, welche
von der Vernichtung der Feinde über verschiedene Phasen hinüber schließ-
lich zu weit geringerem gelangt, nicht zu durchlaufen gebraucht, wir haben
von Anfang an unser Ziel erklärt und wir sind bis heute dabei geblieben.
Auf welcher Seite dabei die Kraft und auf welcher die Schwäche liegt,
überlasse ich getrost dem Urteile der Welt. Aber niemand möge sich dar-
über täuschen, daß dieses unser so friedfertig moderiertes Programm nicht
für ewige Zeiten gilt und gelten kann. Wenn unsere Feinde uns zwingen,
den Krieg fortzusetzen, dann werden wir gezwungen sein, unser Programm
u revidieren und unsererseits einen Ersatz zu verlangen. Ich spreche
ür den jetzigen Augenblick, weil ich die Ueberzeugung habe, daß jetzt auf
der entwickelten Basis der Weltfrieden zustande kommen könnte — bei Fort-
setzung des Krieges aber behalten wir uns freie Hand vor. Ich bin felsen-
sest davon überzeugt, daß wir in einem Jahre noch unvergleichlich günstiger
dastehen werden als heute, aber ich würde es für ein Verbrechen halten,
wegen irgendwelcher materieller oder territorialer Vorteile diesen Krieg
auch nur einen Tag länger fortzuführen, als es die Integrität der Mon-
archie und die Sicherheit der Zukunfst erfordert. Aus diesem Grund allein