186 IEXII Menarqit. (Oktober 2.)
bin ich für einen Verständigungsfrieden gewesen und bin noch heute für
denselben; wenn aber unsere Feinde nicht hören wollen, wenn sie uns
zwingen, dieses Morden fortzusetzen, dann behalten wir uns die Revision
unseres Programms und die Freiheit unserer Bedingungen vor. Ich bin
nicht sehr optimistisch betreffs der Geneigtheit der Entente, jetzt einen Ber-
ständigungsfrieden auf obiger Basis zu schließen. Die erdrückende Majorität
der ganzen Welt will. diesen unseren Verständigungsfrieden, aber einige
wenige verhindern ihn. Mit kaltem Blute und ruhigen Nerven werden
wir in diesem Falle unseren Weg weitergehen. Wir wissen, daß wir durch-
halten können, durchhalten im Feld und durchhalten im Hinterlande. Wir
waren niemals klein in den vergangenen schweren Stunden und niemals
übermütig im Siege. Unsere Stunde wird kommen und mit ihr die sichere
Gewähr einer freien friedlichen Entwicklung Oesterreich-Ungarns.
Offiziös wird zu dieser Rede bemerkt: Die Rede will als eine auf
realpolitischer Grundlage gehaltene Darlegung der Kriegsziele Oesterreich-
Ungarns angesehen werden. Sie will in diesem Sinne weder ein neues
Friedensangebot an die Gegner der Mittelmächte sein, denen ja die Kriegs-
ziele der Monarchie, wie sie Graf Czernin im ersten Teil seiner Rede ent-
wickelte, aus den bisher erfolgten Friedenskundgebungen Oesterreich-Ung arns
bereits bekannt sein mußten. Sie will aber ebensowenig in ihrem zweiten
Teil als eine Art Friedensultimatum an den Vierverband und seine Mit-
kämpfer gewertet werden. Man wird die Erklärung des Grafen Czernin:
„Wenn unsere Feinde uns zwingen, den Krieg fortzusetzen, dann werden
wir gezwungen sein, unser Programm zu revidieren und unsererseits einen
Ersatz zu verlangen"“, nur dann richtig verstehen, wenn man jenem Gedanken-
gang richtig folgt, der dazu geführt hat, daß den Darlegungen über die Kriegs-
ziele Oesterreich--Ungarns eben dieser zweite Teil angegliedert worden ist. Die
Mittelmächte sind nach der Auffassung ihrer leitenden Staatsmänner in der
Präzisierung ihrer Kriegsziele bis an die Grenze des nur Möglichen gegangen.
Diese Präzisierung ist gleichwohl ohne entsprechende Wirkung auf die Friedens-
geneigtheit der feindlichen Regierungen geblieben. Würde jetzt Oesterreich-
Ungarn darauf verzichten, der erneuten Präzisierung seiner Kriegsziele eine
Abgrenzung seines bekannten Friedensangebotes folgen zu lassen, so würde es
damit einfach eine Prämie auf die Fortführung des Krieges für den Gegner
aussetzen. Der Feind wüßte dann, wie der Krieg auch immer weiter gehe,
daß er aus diesem Krieg nie als geschlagen und besiegt herausgehen würde.
Der Feind könnte ohne das geringste Risiko weiter Krieg führen, solange er
noch die kleinste Chance zu besitzen glaubt. Die Mittelmächte aber könnten
aus einem Zusammenbruch des Feindes niemals Vorteil ziehen. Damit wäre
dem Friedensgedanken in keiner Weise gedient. Der Feind würde die Friedens-
bereitschaft der Mittelmächte einfach mißbrauchen und ihnen auf diese Weise
ein Zugeständnis nach dem anderen herauslocken können.
Bei Besprechung der Ausführungen des Grafen Czernin begrüßen die
Wiener Blätter einmütig die von dem Minister entwickelten Grundlagen
einer neuen Weltordnung. Besonders unterstreichen die Blätter die Stelle,
wonach die Mittelmächte sich für den Augenblick durch ihre Bereitwilligkeit
zu einem Verständigungsfrieden gebunden erachten, sich aber volle Freiheit
des Handelns bewahren müssen, falls die Gegner auch diesmal die dar-
gebotene Hand zurückweisen. Gleichzeitig geben sie der Anschauung Aus-
druck, daß diese bedeutende politische Kundgebung gewiß auch im Lager der
Entente lebhaften Widerhall erwecken werde.
Auch an deutscher leitender Stelle findet die Rede, wie die halbamt-
liche Erklärung der „Nordd. Allg. Ztg.“ (s. Disch. R., 4. Okt.) zeigt, volle Zu-
stimmung. Dagegen erhebt die alldenutsche Presse lebhaften Widerspruch.