Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

212 Bie Aerreichischungerisee Monarchie. (Dezember 4.—7.) 
biete haben bei den verbündeten Staaten das Bedürfnis nach einer wei- 
teren Vertiefung ihrer innigen ökonomischen Beziehungen geweckt. Im 
Laufe der mit dem Deutschen Reiche bereits eingeleiteten Verhandlungen 
zur Vorbereitung einer Neuregelung unserer wirtschaftlichen Beziehungen 
wird es hoffentlich gelingen, diesen Wunsch auch in die Tat umzusetzen. 
Dem Gedanken eines künftigen Wirtschaftskrieges abhold, streben wir mit 
dieser Neuordnung unseres ökonomischen Verhältnisses zu Deutschland nur 
eine Stärkung unserer eigenen Volkswirtschaft an. Fern von jedem trü- 
erischen Optimismus, aber auch frei von pessimistischen Anwandlungen, 
halte ich demnach bei einem Ausblick in die Zukunft eine maßvolle, aber 
überzeugte Zuversicht für vollauf berechtigt. Die zunehmende Erschöpfung 
der Gegner, das Mißlingen der feindlichen Offensiven auf allen Fronten, 
der durchschlagende Erfolg unserer militärischen Unternehmungen, die stets 
wachsende Wirkung des U-Bootkrieges, all dies läßt die Annahme gerecht- 
fertigt erscheinen, daß das Schwerste hinter uns liegt. So können wir, 
die wir mit dem ruhigen Gewissen und dem stärkenden Bewußtsein in 
diesen Krieg eingetreten sind, einen reinen Verteidigungskampf, einen Kampf 
um unsere Existenz zu führen, auch erhobenen Hauptes und in zuversicht- 
licher Stimmung die aufdämmernde Morgenröte des Friedens erwarten. 
Wenn ich hiermit sage, daß ich die Möglichkeit, in absehbarer Zeit 
zu einem Frieden zu gelangen, für gegeben erachte, so muß ich das Ver- 
dienst, diese Möglichkeit geschaffen zu haben, für unsere Mächtegruppe in 
Anspruch nehmen. Bis zum Dezember 1916 war das Wort „Friede“ in 
allen kriegführenden Staaten verpönt. Im Bewußtsein unserer in jenem 
Zeitpunkt allgemein erkennbar gewordenen Unbesiegbarkeit, gestützt auf die 
Gerechtigkeit unserer Sache, haben wir, gemeinsam mit unseren Verbündeten, 
als erste den Mut gefunden, unseren Gegnern die Hand zur Versöhnung 
entgegenzustrecken und ihnen die Einleitung von Friedensverhandlungen 
vorzuschlagen. Dieser Beweis unserer moralischen Kraft hat auf gegneri- 
scher Seite kein Verständnis gefunden. Wir haben uns nicht gescheut, den 
von uns beschrittenen Weg zur Anbahnung eines allseits gerechten und 
ehrenvollen Friedens fortzusetzen. Die einzige Regierung, welche den von 
uns ausgeworfenen Gedanken aufnahm, war die Prov. Regierung Rußlands, 
welche am 10. April d. J. erklärte, Rußland habe nicht die Absicht, andere 
Völker zu beherrschen und gewaltsam fremdes Gebiet zu besetzen, sondern 
es strebe einen dauerhaften Frieden an. Auf diese Erklärung der Prov. 
russ. Regierung hin haben die Regierungen der Mittelmächte die Gleich- 
heit ihrer und der russischen Ziele festgestellt. Wenn es in der Folge trotz 
dieser Identität in der Auffassung der Friedensfrage auf unserer und auf 
russischer Seite nicht zur Aufnahme der Friedensverhandlungen kam, so 
liegt die Schuld ausschließlich auf Seite der Westmächte der Entente, welche 
nicht nur selbst an dem Gedanken des gegen uns geführten Eroberungs- 
und Vernichtungskrieges festhielten, sondern ihren ganzen Einfluß in Ruß- 
land wirken ließen, um dieses an der Fortsetzung seiner Friedenspolitik 
zu hindern. Der von S. Heiligkeit dem Papste mit seiner Note vom 
1. Aug. d. J. unternommene Friedensschritt hat bei unserer Mächtegruppe 
die wärmste Aufnahme gefunden und ist von uns als „geeignete Grund- 
lage für die Einleitung von Verhandlungen zur Vorbereitung eines für 
alle gerechten und dauerhaften Friedens“ angesehen worden. Auf gegneri- 
scher Seite hat der Friedensruf des Heiligen Vaters kein Echo gefunden. 
Aus den von mir und von den verantwortlichen Stellen unserer Ver- 
bündeten abgegebenen Erklärungen ist der Standpunkt ersichtlich, den 
wir in der Friedensfrage einnehmen. Für uns ist der gegenwärtige 
Krieg ein Verteidigungskrieg. Es ist demnach unser Ziel, einen Frieden
	        
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