222 Die ötterreichisch-ungarische Monarchie. (Dezember 5.)
ordnend, mit schwerem Herzen manches zurückstellen. So blieb denn gegenüber
den glücklicheren Nachbarn unser Rüstzeug für den Krieg rückständig.
Aber auch in der Hinsicht hat uns der Krieg gelehrt, wie weit wir in dieser
Richtung gehen können und wo die Gefahrzone für Gut und Leben des
Staates beginnt. Daher konnten wir auch nicht von Haus aus mit jenen
Kampfmitteln in den Krieg eintreten, die schon unserem nächsten großen
Gegner (den Russen) in so überreichem Ausmaße gegönnt waren. Es soll
hier nicht verkannt werden, daß wir mit den uns zur Verfügung gestellten,
wenn auch kargen Mitteln manches hinsichtlich Organisation, Bewaffnung
und Ausrüstung verbessern konnten, dank dem unserer Armee von jeher
eigenen Geschick, mit kleinen Mitteln zielbewußt zu arbeiten. Zufolge der
reellen und minutiösen Vorarbeiten klappte denn auch unsere Mobili-
sierung zufriedenstellend, und ich möchte an die herzerfreuende Tatsache er-
innern, daß zahlreiche Reservemänner weit vor der von uns kalkulierten Zeit
zu den Fahnen geeilt waren; daß die Bevölkerung sich beeilte, den Truppen
die notwendigen Bedürfnisse, wie Pferde und Wagen, zuzuführen, so daß
viele Truppenkörper früher, als gedacht, marschbereit und kriegsfertig da-
standen. Diese höchst befriedigenden Momente konnten aber unseren Rück-
stand in der Ausrüstung trotz heroischer Tapferkeit der Truppen nicht wett-
machen. Es betraf dies vor allem die Artillerie, mit der wir den Russen
(ja sogar den Serben) gegenüber in der Hinterhand waren. Das Resultat
war zunächst, daß die ganze Last des Kampfes auf unserer Infanterie
ruhte, die eben von der Artillerie nicht genügend unterstützt werden konnte.
Aber beide — unsere Artillerie und Infanterie — haben, dank ihrer mora-
lischen Qualitäten, ihre Schuldigkeit in altbewährter Weise getan und, wo
es sein mußte, sich auch zu opfern gewußt. «
So mußte denn schon gleich zu Beginn der Kämpfe die Arbeit der
Kriegsverwaltung einsetzen, um in materieller und personeller Beziehung zu
verbessern, nachzuschieben und aufzufüllen, Versäumnisse gut zu machen, was
dann nur mehr unter Aufwand hoher Kosten gelingen konnte. Als wir
dann später zur zweiten Offensive schritten, da hatten sich die Verhältnisse
zu unseren Ungunsten fast noch verschärft, und trotzdem führten wir den
gewaltigen Stoß gegen Norden, um den russischerseits gedachten Spazier-
gang nach Berlin zu vereiteln. Dieser Erfolg war vielleicht ausschlag- und
wendunggebend für den weiteren Krieg; damals war es uns allen —
Führern und Truppen — klar geworden, daß eine Krisis überwunden werden
mußte, sollte der Krieg nicht schon jetzt für uns ein Ende bedeuten. Und
er wäre möglicherweise schon im Jahre 1914 zu Ende gewesen — aber
mit welchem Erfolge! — hätte die Kriegsverwaltung sich ausschließlich durch
allzu große Rücksicht auf den Staatssäckel leiten lassen. So wurde denn
im felsenfesten Vertrauen auf die hohen moralischen und militärischen
Potenzen aller Nationen und Völker der altehrwürdigen, kampfgestählten
Monarchie auch alles getan, um die Truppen zur höchsten Leistung an-
zuspornen. Bei der Armee im Felde setzte man alles ein, um Dissziplin
und Moral zu heben, die Ausbildung auf Grund der bisherigen Kriegs-
erfahrungen zu erweitern und zu vertiefen und den neuen Verhältnissen
anzupassen. Im Hinterland aber begann nunmehr eine Massenarbeit,
der an Umfang und Größe nichts Aehnliches zur Seite steht: eine
Massenarbeit, die sich auf alle Gebiete des Ersatzwesens erstreckte; auf
Menschen und Tiere, auf Bewaffnung, Bekleidung und Ausrüstung, auf
Verpflegung und Sanitätswesen und auf all die Maßnahmen, um diese
materiellen Mittel in der Heimat zu schaffen und bereitzustellen. Dazu
kam, daß sich der Charakter des modernen Kampfes nach einer Richtung
neu auszusprechen begann; an Stelle rascher, machtvoller, niederschmetternder