Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

430 Etankreih. (August 2.) 
S. 729 ff.) dürfe man nicht glauben, daß eine Kammersitzung genüge, um die 
Wirkung auf gewisse Alliierte und die franz. Nation zu zerstreuen. Was 
sei der Kernpunkt der Erklärungen des Reichskanzlers? Die Frage des 
linken Rheinufers. Sie habe in Frankreich eine gewisse Spaltung hervor- 
gerufen. (Beif. b. d. Soz., große Bewegung.) Es bestehe im Lande ein 
förmlicher Feldzug für das linke Rheinufer. Man habe an der Fron: 
Karten verteilt, in denen die neue Rheingrenze eingezeichnet ist. Lärm, 
Unterbrechung.) Wie sei ein solcher Feld ug möglich? Die Regierung müße 
aufs nachdrücklichste diese Wühlerei von sich abschütteln. (Der Redner wird 
von der Rechten, namentlich von Maurice Barres, unterbrochen.) Wenn 
auch weder die Regierung noch das Parlament für die Bewegung ver- 
antwortlich seien, so schaffe man doch augenblicklich eine solche Bewegung. 
Nach Forderung der Bekanntgabe der von der Regierung zur Vorbereitrung 
der Bildung der Gesellschaft der Nationen getroffenen Maßnahmen wirst 
R. der Regierung vor, daß sie auf dem Gebiete der inneren Politik unter 
dem Deckmantel der heiligen Einigkeit die alten Vorrechte verstärke. 
Ministerpräsident Ribot geht in seiner Erwiderung auf die Friedere- 
frage ein und sagt: Die Regierung denkt, daß wir erst dann zu einem 
Frieden, den wir annehmen können, gelangen werden, wenn Deutschland 
ihn erbeten haben wird. (Lebh. Beif.) Wenn wir zu früh den hinterlistigen Vor- 
schlägen Gehör schenken, die uns gemacht worden sind und die von Manövern 
unterstützt werden, die Sie kennen, so würden wir das Land ausliefer# 
und unsere Pflicht als Franzosen und unsere Pflicht als Regierung ver.- 
letzen. Wer könnte in dieser Stunde, da unsere Gebiete noch besetzt sind, 
an einen Frieden mit Deutschland denken, wer könnte Friedensvorschlägen 
sein Ohr leihen, wer kann wünschen, daß man auf Erörterungen eingebt. 
die nur dazu dienen den Krieg zu entkräften? Wir wünschen Frieden eben- 
sosehr wie Renaudel und seine Freunde, aber wir wollen einen aufrichtigen, 
dauerhaften und dieses Landes würdigen Frieden. Was würde es beute 
für ein Frieden sein? Wir würden einwilligen, auf alte Rechte zu ver- 
zichten, und wir würden als die ersten erklären, denn das ist es. was man 
von uns erwartet, daß wir nicht die Absicht haben, etwas für uns zu 
fordern, was es auch sei, nicht einmal Elsaß-Lothringen. Wir müßter 
unsere zerstörten Provinzen selbst wiederherstellen. Wir müßten ein- 
willigen, daß Frankreich in verstümmelten Zustand fortlebe, das nämliche 
Frankreich, das verdient, an der Spitze der Zivilisation zu marschieren. 
Wir hätten an unserer Flanke diesen mächtigen Block der Zentralmächte. 
die in Tat und Wahrheit die Herren wären. Man würde Belgien mit 
einem Almosen abfinden. Dieser Frieden ist nicht möglich, und man darf 
nicht daran denken. Wir sind der Ansicht, man dürfe weniger die Friedens. 
bedingungen erörtern als die besten Mittel prüfen, um zu siegen. Wir 
müssen den Sieg gewinnen, nicht durch geheime Versammlungen. Wir 
können nicht glauben, daß Konferenzen ihn uns geben können. Vor zwei 
Monaten dachte Renaudel nicht daran, nach Stockholm zu gehen. Er jagre. 
er werde nicht mit den deutschen Sozialisten verhandeln, solange Frank- 
reich besetzt sei. Später sagte Renaudel, er werde mit den Sozialisten nach 
Stockholm gehen, um die Deutschen anzuklagen. Dann verlangte er Büurg- 
schaften. Die Sozialisten, fährt Ribot fort, würden nur Beauftragte des 
Deutschen Kaisers sein. (In dem jetzt entstehenden Tumult ruft Adg. 
Compore-Morel (Soz.): Wir haben den Antrag unterzeichnet, und wir 
haben immer erklärt, mit den Deutschen nur dann zu verhandeln, wenn 
die Frage der Verantwortlichkeit gestellt würde. Wir weigern uns, mit 
Männern wie Scheidemann zu verhandeln, und werden niemals einwilligen, 
unsere Hand in die Hand solcher Männer zu legen.)
	        
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