Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Römische Kurie. (Anfang Januar—Juni 28.) 537 
seien selbst die Bolschewiki nicht mit den Vorschlägen der Zentralmächte 
einverstanden. Die Zentralmächte nähmen da besonders hinsichtlich der 
ital. und der franz. Aspirationen einen einfach verneinenden Standpunkt 
ein. Aber die von ihnen begehrte einfache Annahme des Status quo wäre 
nach einem so furchtbaren Blutbad eine tiefe Beleidigung der Menschheit. 
In betreff des Zugeständnisses der politischen Unabhängigkeit für jene 
Staaten, welche sie verloren haben, sei darauf hinzuweisen, daß zwei- 
deutige Worte gebraucht worden seien, indem die wirtschaftliche Unabhängig- 
keit und Unversehrtheit jener Staaten nicht gleichfalls gewährleistet werden. 
Bezüglich der Frage der Annexionen sei es nicht ausgeschlossen, daß die 
Mittelmächte solche begehren, wenn sie nicht gewaltsam geschehen, und wenn 
sie sich in dieser Hinsicht auf erpreßte Willensäußerungen der Völker in 
den besetzten Gebieten zu stützen vermöchten. Alles in allem sei die An- 
nahme berechtigt, daß auch diesmal kein aufrichtiges Streben nach dem 
Frieden, sondern vielmehr eine neue Form einer hinterhältigen Offensive 
vorliege, um eine Spaltung unter den kriegführenden Völkern herbei- 
zuführen und ihren Geist zu vergiften. Der Friede sei eine große heilige 
Sache, aber die Entente könne nicht einen Frieden wollen, der nichts gibt 
und alles beansprucht. Aus Friedensliebe protestiere er sonach gegen den 
Versuch, aus der Friedensidee ein hinterlistiges Kriegsmittel zu machen. (Beif.) 
Der Senat nimmt sodann einstimmig eine von der Regierung ge- 
billigte Tagesordnung an, die der Bewunderung für das Heer, dem Ver- 
trauen zur Regierung und der Hoffnung auf einen siegreichen nationalen 
Widerstand Ausdruck gibt. Ferner nimmt er das Budgetprovisorium 
(s. o.) an und vertagt sich hierauf auf unbestimmte Zeit. 
VIII. 
Römische Kurie. 
Anfang Jan. Der deutsche Prälat Mssgr. R. v. Gerlach, dienstt. 
Geheimkämmerer, muß auf Drängen der Ententemächte Italien 
verlassen. 
Am 12. April beginnt vor dem Kriegsgericht in Rom der Hochverrats- 
prozeß gegen Archita Valente u. Gen. Auf Grund von Aussagen der An- 
geklagten ist auch Msgr. v. Gerlach in diesen Prozeß verwickelt. Am 
29. Mai wird aus Mailand gemeldet, daß der Kronzeuge gegen Msgr. 
v. Gerlach, der kalabresische mehrfach bestrafte Expriester Bruno Tedeschi, 
endgültig als irrsinnig erklärt worden ist. Trotzdem wird Misgr. v. Gerlach 
am 24. Juni wegen angeblichen Hochverrats in Abwesenheit zu lebens- 
länglichem Zuchthaus, seine sog. Genossen zur Erschießung und hoher Zucht- 
haus strafe verurteilt. 
28. Juni. Neukodifizierung des kanon. Rechtes. 
Kardinalstaatssekretär Gasparri überreicht dem Papste das von dem 
Ausschuß für Neukodifizierung des kanon. Rechtes in mehrzähriger 
Arbeit verfaßte neue corpus juris canonici in feierlicher Weise. Der „Osser- 
vatore Romano" publiziert am gleichen Tage die Promulgationsbulle. Das 
neue Gesetzbuch ist in einem Band von 521 Seiten gedruckt, der 3414 Canones 
und 8 apostolische Konstitutionen enthält. Es tritt Ostern 1918 in Kraft.
	        
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