Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreiunddreißigster Jahrgang. 1917. Zweiter Teil. (58b)

Helsien. (Februar 4.) 569 
länger denen Walloniens geopfert werden? Soll Wallonien noch weiter die 
Saugpumpe bleiben, die die besten Kräfte Flanderns aufsaugt? Nein, ein 
Belgien, in dem die Flamen weiterhin die Unterdrückten und Enterbten 
sind, darf nicht wieder errichtet werden! Zum alten Belgien mit seiner 
hergebrachten Politik der Verwelschung kann nicht zurückgekehrt werden. 
Der status quo ante darf nicht wieder hergestellt werden. Echte Vater- 
landssöhne sind diejenigen, die mit Rücksicht auf den bevorstehenden Frieden 
und auf die mögliche Wiederherstellung Belgiens die Interessen Flanderns 
verteidigen; denn von einem Vaterland im wahren Sinne des Wortes 
kann für die Flamen nur die Rede sein, wenn das flämische Volk in seinen 
eigenen Grenzen sein Recht, sein volles Recht erhält. Wenn es, wie man 
versichert, in diesem Kriege um den Grundsatz der Nationalitäten und das 
Dasein der kleinen Völker geht, so haben wir das Recht und die Pflicht, 
vor den Augen der ganzen Welt für unsere fast 100 Jahre lang unter- 
drückte flämische Nationalität und unser verkanntes flämisches Volk wie 
auch für unsere tief bedrückten Brüder aus Französisch-Flandern ein- 
zutreten. Wir berufen uns zur Rechtfertigung unserer Haltung unter anderem 
auf die Erklärungen, die von den zwei kriegführenden Mächtegruppen ab- 
gegeben worden sind. Gestützt auf diese Erklärungen sagen wir: Es ist 
kein status quo ante, keine Rückkehr zu dem früheren Uebelstand möglich. 
Jetzt oder nie müssen die Flamen ihre nationale Befreiung erreichen. Mit 
der wirklichen Anerkennung der nationalen Rechte der Flamen ist von der 
besetzenden Macht in Uebereinstimmung mit obenstehenden Erklärungen der 
Entente, des Reichskanzlers und des Präsidenten Wilson angefangen worden. 
Alle Maßnahmen, die in dieser Richtung von der besetzenden Macht ge- 
nommen wurden, sind getroffen worden auf Grund der belgischen Gesetz- 
gebung und des internationalen Rechtes, wie es in den Beschlüssen der 
Haager Konvention niedergelegt und durch das belg. Gesetz vom 25. Mai 
1910 auch für Belgien als bindend erklärt worden ist. Sie sind also voll 
und ganz rechtsgültig. Wir fordern, daß trotz aller Einwendungen und 
Drohungen, die von antiflämischer Seite innerhalb und außerhalb des 
Landes sogar noch während des Krieges geäußert werden, die gerechten 
und gesetzlichen Maßnahmen und nationalen Rechte der Flamen anerkannt 
und bei dem bevorstehenden Friedenskongreß verbürgt werden. Wir fordern 
weiter, daß die Verwaltungstrennung (Bestuurlijke scheiding), die mit der 
Trennung des Unterrichtsministeriums bereits begonnen hat, so schnell wie 
möglich vollständig durchgeführt werde, durch Teilung aller Ministerien 
und Verwaltungen. Wie die Waffengewalt das Schicksal unseres Volkes 
entscheiden wird, können wir nicht voraussehen und nicht voraussagen; aber 
wir widersetzen uns bestimmt dem Treiben der belgischen Imperialisten aus 
Le Harre, die fremdes Grundgebiet, darunter neutrales und unabhängiges 
nd, wie Holland und Luxemburg, annektieren wollen. Was aber die 
nationalen Rechte des flämischen Volkes betrifft, so können und müssen wir 
Uar und deutlich unsere Forderungen bekanntgeben, um so mehr, da wir 
deren Erfüllung von beiden kriegführenden Parteien nach dem abgegebenen 
Versprechen erwarten dürfen. Alle Maßnahmen müssen zur vollständigen 
Entfaltung unseres flämischen Volksstammes auf der Grundlage seiner 
eigenen Sprache führen. Wir dürfen nicht länger dulden, daß der belg. 
Staat mit allen Machtmitteln, über die ein Staat verfügt, es darauf ab- 
sehe, das flämische Volk seiner Muttersprache zu berauben und es zu ver- 
welschen. Und da einflußreiche amtliche Kreise in Le Havre drohen, nach 
dem Kriege das flämische Volk vernichten zu wollen, müssen wir feste Sicher- 
heiten und starke Burgschaften sordern gegen diesen auf unseren flämischen 
Volksstamm geplanten verbrecherischen Anschlag. 
 
	        
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