Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

498 Akrainte. (Dez. 14.) 
Abtransport der deutschen Truppen aus der Ukraine endlich sicherzustellen, 
schließt das Oberkommando der Heeresgruppe Kiew nach längeren Ver- 
handlungen mit dem ukr. Direktorium einen das gegenseitige Verhältnis 
regelnden Neutralitätsvertrag, der am 13. in Kraft tritt. Das Direk- 
torium verpflichtet sich dadurch, den beschleunigten Abtransport der deutschen 
Truppen aus der Ukraine mit allen Mitteln zu fördern. Für die gegen- 
seitigen Beziehungen zwischen den deutschen und ukr. Truppen soll von den 
deutschen und den ukr.-republ. Militärbehörden an allen Punkten ein freund- 
schaftliches Verhältnis geschaffen und mit Nachdruck aufrechterhalten werden. 
14. Dez. Sturz der Hetmanregierung, Neubildung der Regierung. 
Da infolge des Abkommens mit dem deutschen Oberkommando (s. o.) 
der Weg nach Kiew für die Truppen des Direktoriums offen ist, sieht sich 
der Hetman, der vergebens auf Unterstützung seitens der Entente gewartet 
hat, gezwungen, Verhandlungen mit dem Direktorium einzuleiten. Dieses 
fordert vollständige Kapitulation, Abdankung des Hetmans, Rücktritt seines 
Kabinetts und Entwaffnung seiner Truppen. Ehe noch die Verhandlungen 
abgeschlossen sind, wird Kiew am 14. nachm. von Truppen des Direktoriums 
besetzt. Daraufhin dankt der Hetman ab und das Kabinett tritt zurück. 
Die Macht geht an das Direktorium, bestehend aus Winnitschenko (Vorsitz), 
Petljura, Schwetz, Andrejewski, Makarenko über; die einzelnen Ressorts 
werden bis zur endgültigen Bildung der Regierung von Beauftragten ver- 
waltet. (Einen ausführlichen Bericht über den Sturz der Hetmanregierung 
s. in der „Deutsch. Allg. Ztg.“ 1918 Nr. 662.) 
Das Direktorium wird auf dem ganzen Staatsgebiete anerkannt. Auch 
Odessa wird von ukr. Truppen besetzt, ohne daß es die im Hafen liegenden 
Verbandstruppen hindern. . 
Am 26. veröffentlicht das Direktorium eine programmatische Er- 
klärung, worin es nach einem Hinweis auf den Sieg der Demokratie über 
die herrschende Klasse erklärt, daß bis zu einer endgültigen Bodenreform alle 
Kleinbauernbetriebe und Genossenschaftswirtschaften unverändert der Nutzung 
der früheren Besitzer überlassen werden, während alles übrige Land den 
landlosen und landarmen Bauern überlassen wird, vor allem den Teilnehmern 
am Kampfe gegen das Hetmanat. Das Direktorium betrachte sich nur als 
vorübergehenden Machthaber, der die Gewalt an das Volk zurückgeben wird, 
jedoch nur an die werktätigen Klassen, die Arbeiter und Bauern. Die Er- 
klärung nennt die bisherige herrschende Schicht fremdländisch und den Feind 
des ukr. Volkstums und spricht ihr das Recht auf die Teilnahme an der 
Herrschaft ab. Das Direktorium fordert die Bauernschaft auf, nach Gouverne- 
ments Vertreter zum Kongreß des werktätigen Ukrainervolkes zu senden. 
Gleiche Vertreter senden die städtischen Fabrikarbeiter und die werktätige 
Intelligenz, wie Volksschullehrer, Arztgehifen, Volkskooperativbeamte, Handels- 
gehilfen u. a. Der Kongreß werde alle Hoheitsrechte und Vollmacht haben, 
alle sozialwirtschaftlichen und politischen Staatsfragen zu entscheiden. Nach 
Eintritt friedlicher Zeiten werde der Kongreß der Verfassunggebenden Ver- 
sammlung Platz machen. Das Direktorium beauftrage mit Verwirklichung 
seines Programms den Volksministerrat. 
Gleichzeitig bestätigt das Direktorium, das als Träger der obersten 
Gewalt bestehen bleibt, folgende Ministerliste: Vorsitz und Aeußeres: 
Tschechowski, Inneres: Misjuk, Krieg: Grekow, Justiz: Slab- 
tschenko, Unterricht: Ogienko, Verpflegung: Martos, Handel und In- 
dustrie: Ostapenko, Finanzen: Suprein, Ackerbau: Schapowal, Kunst: 
Antonowitsch, Medizinalwesen: Matjuschenko, Verkehr: Sidorenko, 
Marine: Bjelinski, Arbeit: Martynow. — Die Mehrzahl der Kabinetts- 
mitglieder ist soz.
	        
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