Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 44. 127 
von dem Monarchen mit den Ministern vereinbart oder gar von diesen verfaßt 
wird, aber keine Anordnungen enthält, ganz abgesehen davon, daß sie als münd- 
licher Vortrag des Monarchen erscheint. 
D. Von der Nothwendigkeit der Kontrasignatur giebt es mehrere Ausnahmen. 
1. In der Militärverwaltung werden unterschieden die Armeebefehle, d. n. Verfügungen 
und Anordnungen, welche der König kraft seiner Kommandogewalt erläßt, und 
Armeeverordnungen, nämlich Verfügungen und Verordnungen auf dem Gebiete der 
Militärverwaltung im engeren Sinne. Der — von dem Kriegsminister kontra- 
signirte — Allerhöchste Erlaß vom 18. Januar 1861 (Verwalt.-Minist.-Bl. S. 73) 
spricht aus, daß alle der Armee bekannt zu machenden Ordres den Charakter des 
militärischen Befehls behalten, jedoch hierdurch weder die Stellung des Kriegs- 
ministers, noch verfassungsmäßig bestehende Normen alterirt werden sollen, und 
befiehlt sodann: 
a) Armeebefehle, sowie Ordres, welche der König in Militärdienstsachen oder 
Personalangelegenheiten erläßt, sollen ohne Genehmigung expedirt werden; 
b) sind in diesen Ordres Bestimmungen enthalten, welche auf den Militäretat von 
Einfluß sind oder andere Zweige der Militärverwaltung berühren, so soll fol- 
gendes Verfahren stattfinden: 
ce) sind die Ordres nicht an den Kriegsminister gerichtet, so sollen sie diesem 
mittelst besonderer Ordres, welche alsdann mit seiner Gegenzeichnung zu 
versehen sind, zugehen; 
) sind sie an den Krirgeminister zur weiteren Veranlassung gerichtet, so hat 
derselbe sie Behufs Aufbewahrung bei den Akten gegenzuzeichnen, ihren 
Wortlaut aber als Militärbefehl ohne Gegenzeichnung der Armee oder den 
betreffenden Militärkommandostellen u. s. w. bekannt zu machen; 
J0) außerdem soll es in Bezug auf die von dem Könige in Armeeangelegenheiten 
getroffenen Bestimmungen, welche dem Kriegsminister nicht durch Ordres be- 
kannt gemacht werden, bei dem bisherigen Verfahren verbleiben, sodaß derselbe 
von Allem rechtzeitig Kenntniß erhält; 
4) alle übrigen, nur die Militärverwaltung im Allgemeinen oder in ihren einzelnen 
Zweigen betreffenden Ordres, sowie alle anderen Ordres in Armeeangelegen- 
felen, welche die Etats alteriren oder sonst einen Regierungsakt enthalten, 
ollen vor der Absendung mit der Gegenzeichnung des Kriegsministers ver- 
sehen werden. 
2. Der König ist Inhaber des landesherrlichen Kirchenregiments, ist summus episcopus, 
handelt aber auf diesem Gebiete nicht als Oberhaupt des Staates, sondern als 
Träger bestimmter, auf die Leitung der Gesammtgemeinde bezüglicher Befugnisse. 
Daher ist das Kirchenregiment des Königs auch äußerlich von seinen übrigen Be- 
fugnissen geschieden, die kirchliche Gesetzgebung von der staatlichen gesondert. 
Durch das für die Provinzen (Ost= und West-) Preußen, Brandenburg, 
Pommern, Schlesien, Sachsen, Westfalen und die Rheinprovinz erlassene Gesetz, be- 
treffend die evangelische Kirchenverfassung in den acht älteren Provinzen der Mo- 
narchie, vom 3. Juni 1876 (Ges. Samm S. 125) Art. 21 ist die Verwaltung der 
Angelegenheiten der evangelischen Landeskirche, soweit solche bisher von dem Minister 
der geistlichen Angelegenheiten und von den Regierungen geübt worden, auf den 
Evangelischen Kirchenkuth und die Konfistorien als Organe der Kirchenregierung 
übertragen. Somit ist bezüglich aller Erlasse des Königs, welche ausschließlich das 
Ressort des Oberkirchenrathes, also das Kirchenregiment und die kirchliche Verwaltung 
betreffen, an die Stelle der Gegenzeichnung des Kultusministers die des Präsidenten 
des Oberkirchenraths getreten, welcher letztere gleichfalls die — der Zustimmung 
der Generalsynode bedürfenden — Kirchengesetze gegenzeichnet. In allen Fällen 
dagegen, welche der Mitwirkung der Staatsbehörden vorbehalten sind — Art. 3, 
4, 7, 8, 11, 15, 16, 22 bis 27 des genannten Gesetzes — bedürfen die Erlasse des 
Königs auch fernerhin der ministeriellen Gegenzeichnung. Nach Art. 13 cit. sind 
kirchliche Gesetze und Verordnungen, sie mögen für die Landeskirche oder für einzelne 
Provinzen oder Bezirke erlassen werden, nur soweit rechtsgültig, als sie nicht mit 
einem Staatsgesetze in Widerspruch stehen. Bevor daher ein von der Generalsynode 
oder von einer Provinzialsynode beschlossenes Gesetz dem König zur Sanktion vor- 
gelegt wird, ist durch eine Erklärung des Staatsministeriums festzustellen, daß 
gegen das Gesetz von Staatswegen nichts zu erinnern ist, und diese Feststellung ist 
in der Verkündigungsformel zu erwähnen.
	        
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