I. Verfassungsurkunde vom 31. Jannar 1850. Art. 98. 289
gliedern mit Einschluß des Vorsitzenden, bei den übrigen Provinzial= und gleichgestellten
ehörden das Plenum unter Theilnahme von mindestens drei stimmberechtigten Mit-
liedern, bei dem Eisenbahnkommissariate ebenfalls das Plenum unter Zuziehung des
Justiriaeins des Berliner Polizeipräsidiums.
Die zweite und letzte Instanz bildet das Staatsministerium. Dasselbe muß,
wenn die Berufung gegen die Entscheidung einer Provinzialbehörde eingelegt ist, zunächst
das Gutachten des Disziplinarhofes einholen.
Besondere Vorschriften gelten bezüglich der für Notare zuständigen Disziplinar-
behörden. Im Bezirk des Oberlandesgerichts zu Cöln bildet die Civilkammer des
Landzerchts die erste und der Senat des Oberlandesgerichts, in welchem der Präsident
den Vorsitz führt, die Berufungs= und Beschwerdeinstanz. In der gesammten übrigen
Monarchie sind Disziplinarverfahren und Disziplinarbehörden dieselben wie gegen
richterliche Beamte (Art. 87 Anmerk. A. oben S. 251).
Bezüglich der Subaltern= und Unterbeamten der Oberrechnungskammer entscheidet
diese im A#lcnum endgültig. #
Für eine Reihe der im mittelbaren Staatsdienst stehenden Beamten und der Be-
amten der Verwaltungsgerichte sind nach den neueren. Verwaltungsgesetzen die Ver-
waltungsgerichte, in letzter Instanz das Oberverwaltungsgericht, entscheidende Disziplinar-
behörden. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes vom 21. Juli 1852
mit Modifikationen.
Entscheidungen, durch welche die Dienstentlassung ausgesprochen wird, bedürfen
der 7 des Königs, wenn der Beamte vom Könige ernannt oder bestätigt
worden ist.
. Außer dem Disziplinarverfahren sind gegen die nicht richterlichen unmittelbaren Staats-
beamten gewisse Verfügungen im Interesse des Dienstes zulässig (Gesetz vom 21. Juli
1854 §§ 87 bis 96):
a) Versetzung in ein anderes Amt von nicht geringerem Range und etatsmäßigem
Einkommen, mit Vergütung der reglementsmäßigen Umzugskosten. Als eine Ver-
kürzung des Einkommens ist es nicht anzusehen, wenn die Gelegenheit zur Ver-
waltung von Nebenämtern entzogen wird, oder die Beziehung der für die Dienst-
unkosten besonders ausgesetzten Einnahmen mit diesen Unkosten selbst fortfällt.
Landräthe, welche für einen bestimmten Kreis auf Grund ihrer Ansässigkeit und in
Folge vorgängiger Wahl ernannt worden, können wider ihren Willen in ein anderes
Amt nicht versetzt werden, solange die Erfordernisse erfüllt bleiben, durch welche
ihre Wahl bedingt war;
b) einstweilige Versetzung in den Ruhestand mit Gewährung von Wartegeld nach
Maßgabe der beiden Erlasse vom 14. Juni und 24. Oktober 1848, betreffend die
Bewilligung von Wartegeld an disponible Beamte (Ges.-Samml. S. 153 und 338).
Diese kann eintreten in Folge der einstweiligen Entbehrlichkeit des Beamten bei
Umgestaltung der Behörden. Außerdem können durch Königliche Verordnung jeder
Zeit mit Gewährung des vorschriftsmäßigen Wartegeldes einstweilig in den Ruhe-
stand versetzt werden Unterstaatssekretäre, Ministerialdirektoren, Oberpräsidenten,
Regierungspräsidenten, Militärintendanten, Oberstaatsanwälte, Erste Staatsanwälte
und Staatsanwälte, Vorsteher Königlicher Polizeibehörden, Landräthe, Gesandte
und andere diplomatische Agenten. In den im Jahre 1866 neu erworbenen
Landestheilen treten hinzu die Provinzialsteuerdirekioren, Oberregierungsräthe und
Abtheilungsdirigenten bei den Regierungen, die wirklichen Oberforstmeister, Ober-
regierungsräthe bei den Provinzialsteuerdirektionen, Vorsteher der in den Provinzen
Hannover und Schleswig-Holstein unmittelbar unter den Ministern bezw. den
Oberpräsidenten stehenden Behörden, denen die in den älteren Provinzen den Re-
gierungen übertragenen Geschäfte ganz oder zum Theil obliegen, ferner die Ab-
theilungsdirigenten bei diesen Behörden, die Vorsteher der Eisenbahndirektionen,
Oberbergämter, Bergwerksdirektionen, höheren Lehranstalten, Gestüte und land-
wirthschaftlichen Lehranstalten. Das Wartegeld beträgt bei Gehältern über 3600
Mark die Hälfte bis höchstens 6000 Mark; bei geringerem Gehalte wird der Pro-
zentsatz entsprechend höher. Wartegeldempfänger sind bei Stellenbesetzungen vor-
zugsweise zu berücksichtigen;
gänzliche Versetzung in den Ruhestand mit Gewährung der vorschriftsmäßigen
Pension. Hierbei ist zu unterscheiden: Hat der Beamte das fünfundsechzigste
ebensjahr noch nicht vollendet, so kann solche Versetung, nur auf Grund eines
besonderen Verfahrens und nur dann erfolgen, wenn der Beamte durch körperliche
Schwarp, Preußische Berfassungsurkunde. 19
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