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Die Kompetenz der Bürgerschaft ist nach der Verfassung Kompetenzen.
nun keineswegs, wie Artikel 6 dies zu thun glaubte, auf die
reine Gesetzgebung beschränkt. Auf dem Gebiet der letzteren
sind ausser der eigentlichen materiellen Gesetzgebung der
verfassungsmässigen Zustimmung der Bürgerschaft unterworfen
sämtliche qualifizierte Verwaltungsakte, namentlich die Finanzen
angehend, die man unter der Bezeichnung der formellen
Gesetzgebung zusammenzufassen pflegt und auf die ich im
nächsten Kapitel zurückkomme. Dann sind ihr von der dem
Senat angeblich allein gebührenden reinen Verwaltung die
Wahlen zu den Deputationen übertragen (Artikel 52). Zu diesen
legt die Verwaltungsbehörde einen Aufsatz von drei Personen
vor, an dessen Aufstellung die senatorischen Mitglieder nicht
Teil nehmen. Bis 1879 war dieser Aufsatz bindend. Damals
wurde insofern eine Neuerung eingeführt, als der Aufsatz
bindend nur bei den Wahlen für die Finanzdeputation blieb,
bei allen anderen aber der Bürgerausschuss mit zwei Dritteln
Majorität einen vierten Namen hinzufügen durfte Nach der
neuesten Verfassungsänderung vom 2.11. 1896 gilt die letztere
Bestimmung nur noch für die Wahlen zur Finanzdeputation, bei
allen anderen Wahlen ist der Aufsatz der Deputation
nicht bindend. Da die Wahlen mit einfacher Mehrheit er-
folgen, ist es einer geschlossenen Opposition verfassungsmässig
möglich gemacht, die Verwaltung gegen den Willen des Hauptes
der Exekutive zu beeinflussen. Diese rechtliche Möglichkeit
möchte ich allerdings praktisch angesichts der starken Tradition
und der allgemeinen Solidarität in den Deputationen einer —,
angesichts des, das stabile Element repräsentierenden senatorischen
Vorsitzes andrerseits nicht allzu hoch veranschlagen. Weiter aber
vermag so die Bürgerschaft, weil die Notabeln vorzugsweise aus
den Deputationsmitgliedern zusammen gestellt sind, auf ihre eigene
Zusammensetzung mittelbar einzuwirken. Dass durch die Neu-
fassung des Artikels 52 dem alleinigen allgemeinen Wahlrecht
ein Einfallsthor geöffnet ist, habe ich in meiner Geschichte der
Bürgerschaft nachgewiesen. Über Entlassungsgesuche der von
ihr Gewählten entscheidet die Bürgerschaft gleichfalls ($ 67
der Gesch.-Ord.).
Ferner hat die Bürgerschaft ein Recht, vom Senate Aus-
kunft in Staatsangelegenheiten zu verlangen (Artikel 65). Aller-
dings ist der Senat in obschwebenden Reichs- und auswärtigen
Seelig, Hamburgisches Staatsrecht. 7