Full text: Hamburgisches Staatsrecht auf geschichtlicher Grundlage.

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Kyrion-Seiten — Gesetz und Verantwortung — in letzter Stelle 
unter den Spruch eines nicht richterlichen Kollegiums — Ent- 
scheidungsdeputation und Appellinstanz — gesetzt. Das war 
unter Umständen bedenklich. Als ein Fortschritt erscheint es 
daher schon, dass die neue Verfassung die Disziplinarfrage ab- 
trennte und einem (Grerichtshof hat anvertrauen wollen. Noch 
besser ist allerdings die Lösung, die die moderne Entwickelung 
gefunden hat, welche anstatt die Disziplinarfrage von einem be- 
sonderen, nach Sonderrecht urteilenden Gerichtshof erledigen zu 
lassen, auch hier die Verantwortung lediglich nach dem gemeinen 
Recht beurteilt wissen will. Aber auch in der Behandlung der 
allein verbleibenden Gesetzgebung zeigt die heutige Verfassung 
grössere Einsicht als die alte. Wie oben angedeutet, ist hier 
eine negative und eine positive Funktion zu unterscheiden. 
Was die erstere anlangt, so mussten alle Gesetze, welche 
dem Senat oder der Bürgerschaft Rechte verleihen, in ihrem 
Bestande geschützt werden, weil sonst mittels der Entscheidungs- 
deputation ja das gemeinsame Kyrion illusorisch gemacht worden 
wäre. Daher der oben angeführte letzte Absatz des Artikels 71, 
der ähnlich dem Artikel 78 der Reichsverfassung wohlerworbene 
Rechte der Kyrionträger schützt. 
Die positive Funktion durfte aber auch bei Beseitigung eines 
Hindernisses niemals den Anschein aufkommen lassen, als ob 
trotz des gemeinsamen Kyrion der Widerspruch eines Teiles 
niedergezwungen sei. Daher ist mit Recht ein Unterschied in 
Rechts- und in Utilitätsfragen gemacht. In ersteren, welche ja 
nur die Konsequenzen aus bereits Vorhandenem ziehen, im Gegen- 
satz zu der alten Verfassung, der niemanden verletzende Rechts- 
spruch auf Anrufen eines Teiles. Dagegen in Utilitätsfragen, 
die Neues schaffen wollen, zuvor die beiderseitige Anerkennung 
als solcher in Wahrung des gemeinsamen Kyrion. Aus gleicher 
Rücksicht sitzen in der Entscheidungsdeputation von beiden 
Seiten gleich viel Mitglieder, und wenn eine sachliche Einigung 
nicht möglich ist, dann die letzte Entscheidung durch das zwar 
blinde, aber darum auch niemandem Unrecht zufügende Los.
	        
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