Full text: Hamburgisches Staatsrecht auf geschichtlicher Grundlage.

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damals nicht; das that allein das materiell schwer zu erlangende 
und gewisse politische Garantien bietende Vollbürgerrecht, die 
Erbgesessenheit. Diese qualitative Abstufung des Bürgerrechts, 
die aber nichts weniger als eine geschlossene Kaste schuf, ist 
die einzige politische Gliederung der hamburgischen Bürger ge- 
blieben. Ebenso wenig wie es in Hamburg Geschlechter und 
ausschliesslich ratsfähiges Patriziat gab, hat jemals eine ständische 
Sonderung oder etwas Ähnliches Platz gegriffen. Gesetzlich un- 
übersteigbare und gemeingültige Schranken sind niemals zwischen 
den einzelnen Teilen der Bürgerschaft aufgerichtet gewesen. 
Geschichtlich ist gerade ein wesentliches Moment des Gedeihens 
darin zu erblicken, dass infolge der politischen Freiheit stets das 
frische Blut aus der urkräftigen Tiefe des Volkes bis in die 
höchsten Stellen aufzusteigen vermochte. 
Anfänglich reichte man, soweit es sich um die Stadt handelte, 
mit der einzigen Form des Bürgerrechts vollkommen aus. Wer 
nicht Leibeigner, Wende oder der gemeinen deutschen Hansa 
fremd war, konnte solches gewinnen. Wurde jemand als angeb- 
licher Leibeigner vom Grundherren vindiziert, so schützte ihn das 
Zeugnis zweier Ratmannen, dass er Jahr und Tag, später zehn 
Jahre, in Hamburg gewohnt hätte. Der Akt selbst wurde seit 
1483 ein feierlicher, da man den ursprünglich vom Heinrich von 
Loh’schen Anhang geschworenen Urphedeeid allen neuen Bürgern 
als Bürgereid abnahm. Man zwang sogar zum Erwerb des 
Bürgerrechts, für Grunderwerb, Heirat, Geschäftsbetrieb wurde 
es Voraussetzung, Kindern unter zwölf Jahren fiel es mit den 
Bürgerrechtserwerb des Vaters ipso jure zu. Auch Weiber waren 
des Bürgerrechts fähig. Damals war also das Bürgerrecht genau 
das, was heute Staatsangehörigkeit; dem heutigen Bürgerrecht 
entsprach etwa die Erbgesessenheit. Auch finanziell suchte man 
die Institution auszunutzen. Während anfänglich nur Fremde 
eine Gebühr zahlen mussten, und zwar seit 1579 für das Gross- 
bürgerrecht 20 Mark Lübsch, sonst 10, erhob man seit 1603 
diese 10 Mark auch von den Bürgerssöhnen; anderen kostete 
das Grossbürgerrecht 60 Reichsthaler, das Kleinbürgerrecht 20 Mark. 
Diese Einheitlichkeit des staatlichen Nexus liess sich aber 
mit der Zeit nicht aufrecht erhalten. Zwar die gesamte Land- 
bevölkerung vermochte man im allgemeinen schlechthin als 
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