Drittes Kapitel.
Staatszweck und Staatsgewalt. Erklärte Interessen und Hoheitsrechte,
Staat und Kirche. Staatskirche, die anerkannten Religionsgemeinschaften,
die lutherische Kirche als Landeskirche. Die Staatsform. Die Mischung
von Aristokratie und Demokratie in Hamburg. Die Identität von Staat
und Gemeinde.
Bei der Erklärung des Staates und dem Versuche, seine
Fxistenz zu rechtfertigen, ward festgestellt, dass die Menschen
zum Staate geboren seien, dass der Staat für sie etwas
Natürliches sei. Ist der Staat aber etwas Natürliches, dann
muss er auch wie alles Gewordene etwas Vernünftiges sein;
es muss sich ein bestimmter vernünftiger Zweck nachweisen
lassen, der durch sein Zusammenfassen aller Einzelhandlungen den
Staat zu einer Zweckeinheit macht.
Die Frage nach dem Zweck des Staates ist uralt. Schon
Plato hat nach ihm geforscht, mit der Erörterung über den
Zweck des Staates leitet Aristoteles das erste Buch seiner be-
rühmten Politik ein. Das gesamte Forschungsergebnis lässt sich
zerlegen in zwei Gruppen (das folgende nach Jellinek). Die erste
umfasst die Versuche, darzulegen, welchen Zweck der Staat
überhaupt hat für die endliche Vollendung des Menschen-
Seschlechts oder welcher einem bestimmten Staat in einem be-
Stimmten geschichtlichen Zeitpunkt in dieser Richtung zukommt.
Alle diese auf philosophischer Basis sich erhebenden Bemühungen,
den objektiven Staatszweck zu erfassen, interessieren hier
nicht. Von Bedeutung dagegen sind die subjektiven Theorien,
welche untersuchen, welcher Zweck dem Staate für die einzelnen
Individuen und damit für die Gesamtheit innewohnt. Unter
ihnen gehen die absoluten Theorien von einem staatlichen Ideal-
typus aus. Die sogenannte Wohlfahrtstheorie proklamiert als
einzigen Staatszweck die allgemeine Wohlfahrt. Was aber
diese ist und erheischt, ist schliesslich an letzter Stelle in die
gänzlich willkürliche Anschauung des Herrschenden gelegt, und
der Wohlfahrtsstaat muss zur unerhörtesten Zwangsanstalt werden,
in der jede Willkür gegen das Individuum durch den Hinweis
auf die allgemeine Wohlfahrt gerechtfertigt wird. So die Jakobiner-
verfassung vom 24.6. 1795: le but de la societe est le bonheur
Commun. Gleich unbefriedigend ist als Setzung des Zwecks die
Seelig, Hamburgisches Staatsrecht. 3
Staatszweck.
Subjektive
Theorien.
Der absolute
Staatszweck.