Full text: Hamburgisches Staatsrecht auf geschichtlicher Grundlage.

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behaupten, dass Absatz 1 wiederholt die materielle Bestimmung 
des alten Kyrion. Demnach bedeutet die dem Senate und 
der Bürgerschaft zustehende höchste Staatsgewalt ledig- 
lich den gemeinsamen Besitz von Gesetzgebung und 
Disziplinargewalt gegen delinquierende Senatsglieder. 
Weil so die höchste Staatsgewalt durch das mitgefasste Disziplinar- 
recht mehr ist als die Gesetzgebung, vermag sich jetzt auch 
Absatz 1 mit einem vernünftigen Sinn neben Absatz zwei zu be- 
haupten! Man sieht aber jetzt, welchen dogmatischen Wert die 
Teilung der Gewalten, auf die ich noch unten zurückkomme, 
hat! An die geschichtlich überaus wichtige Disziplinargewalt, 
die die Verfassung an anderer Stelle — Artikel 27, 53, 87 — 
selbst behandelt, denkt sie da nicht, wo sie die Staatsgewalt 
ganz aufteilen zu können meint. Wie sehr der Entstehung nach 
verwandt und wie wenig sich in der Ausübung fremd die so- 
genannten drei Gewalten, die angeblichen Teile der Staatsgewalt, 
sind, zeigt wieder die Thatsache, dass an anderer Stelle der ver- 
meintlich nur gesetzgebenden Bürgerschaft die wichtigsten Ver- 
waltungsfunktionen beigelegt sind. Soweit als Artikel 6 ein 
gemeingültiges Dogma enthalten soll, kann man unbedenklich 
über ihn hinweggehen! 
Ein Vergleich der Zustände vor und nach 1860 und eine 
Präzisierung der Resultate ergiebt folgendes: 
Unter der alten Verfassung hatte der hamburgische Staat 
allein zwei primäre Organe, den Rat und die Erbgesessene 
Bürgerschaft. Beide hatten aus natürlichen, nur aus dem all- 
gemeinen Staats- und Organisierungstriebe erklärbaren Gründen 
diese Organstellung erworben und übten sie aus eigenem Recht! 
Der Rat, allein in der rechtlichen Handhabung der Staatsgewalt 
beschränkt durch das Kyrion, d. h. durch die Mitwirkung der 
Bürgerschaft in der eigentlichen Gesetzgebung und im Gebrauche 
der Disziplinargewalt gegen seine Mitglieder, hatte genau, ge- 
schichtlich und thatsächlich, die Stellung eines ursprünglich 
autokratischen, nachher durch konstitutionelle Konzes- 
Sionen beschränkten Monarchen. 
Die neue Verfassung hat mit diesem Zustand der Kon- 
struktion nach aufgeräumt. An Stelle der zwei primären Organe 
hat sie eines, die wählende Bürgerschaft, gesetzt, daneben zwei 
Die rechtliche 
Konstruktion 
unter der alten 
und der neuen 
Verfassung.
	        
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