Full text: Staatsrecht des Königreichs Bayern.

84. Die Behörden der Rechtspflege und Verwaltung im Hauptlande Bayern. 5 
Einflußnahme derselben auf das Landesschuldenwesen, das teils unter ihrer ausschließenden teils 
unter ihrer Mitverwaltung stand. 
Auf dem Gebiete der auswärtigen Angelegenheiten hatten die Stände das allerdings tat- 
sächlich wenig beachtete Recht, daß zum Abschlusse von Bündnissen, zu Kriegserklärungen und Frie- 
densschlüssen ihre Zustimmung notwendig war. Landesveräußerungen waren ohne Genehmigung 
der Stände unstatthaft. 
Von den körperschaftlichen Rechten der Stände unterschied man die persönlichen Vorrechte, 
durch welche die Angehörigen der Stände als bevorrechtete Untertanen vor den nicht bevorrechteten, 
den Bauern, ausgezeichnet waren. Zu den alten, in der Landschaft vertretenen Ständen gesellte 
sich mit der Ausbildung eines berufsmäßigen Beamtentums ein neuer bevorzugter Stand, der- 
jenige der Staatsdiener, den man wohl auch als Amtsadel bezeichnete. 
Unter den ständischen Vorrechten sind die wichtigsten die Vorrechte der Landsassen, die Edel- 
mannsfreiheit und die Siegelmäßigkeit. 
Die Güter, an deren Besitz die Landsasseneigenschaft geknüpft war, teilten sich je nach dem 
Umfange der damit verbundenen Gerichtsbarkeit in Herrschaften, Hofmarken und Edelsitze. Die 
persönlichen Vorrechte der Landsassen waren ihre Befreiung von der Gerichtsbarkeit der Landge- 
richte, so daß sie unmittelbar unter den Landesdikasterien standen, das Scharwerksrecht, das Jagd- 
recht und das Bierbraurecht d. h. das Recht der Bereitung des Haustrunkes u. a. m. 
Die Edelmannsfreiheit war ein besonderes Vorrecht eines Teiles des Adels, der deshalb 
als mehr gefreiter von dem minder gefreiten unterschieden wurde. Voraussetzung des Besitzes 
der Edelmannsfreiheit war, daß die betreffende adelige Familie bei Erlassung des 60. Frei- 
briefes d. i. im Jahre 1557 dem bayerischen Ritterstande beigetan gewesen war, oder besondere 
landesherrliche Verleihung. Die hauptsächlichste Wirkung der Edelmannsfreiheit war die Gerichts- 
barkeit, die der 60. Freibrief den adeligen Landsassen bewilligt hatte. 
Das Recht der Siegelmäßigkeit stand den Landsassen und dem Adel sowie einer Anzahl 
anderer Kategorien von Personen zu, insbesondere den Graduierten der Rechte, der Theologie und 
Medizin, den Oberoffizieren, den Priestern, den Bürgermeistern und Patriziern der Hauptstädte 
und den höheren Staatsdienern. Die damit verbundenen Vorrechte lagen auf dem Gebiete des 
Privatrechtes, des Prozeßrechtes und der sreiwilligen Gerichtsbarkeit. 
§ 4. Die Behörden der Rechtspflege uud Verwaltung im Hauptlande Bayern. Das höchste 
Kollegium, in und mit welchem der Landesherr die Regierungsangelegenheiten in Beratung nahm, 
war, seit überhaupt eine entwickeltere Behördenverfassung sich ausgebildet hatte, also etwa seit den 
letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts, der geheime Rat. In Abuwesenheit des Landes- 
herrn führte der Obersthofmeister den Vorsitz. Die Seele des Kollegiums war indessen der geheime 
Ratskanzler, zugleich Vorstand der geheimen Ratskanzlei. 
Unter Karl Albrecht wurde 1726 ein Ausschuß des geheimen Nats, die geheime Kon- 
ferenz gebildet, der aus einigen geheimen Rats= und Konferenzministern, worunter auch der 
Kanzler, bestand. Die geheime Konferenz verdrängte tatsächlich den geheimen Rat so ziemlich aus 
seinem Anteile an den Staatsangelegenheiten. . 
Zur Handhabung der Rechtspflege bestand ein geordneter Instanzenzug von Landes- 
gerichten. Die Kabinetsjustiz war jedoch keineswegs ausgeschlossen, der Landesherr konnte viel- 
mehr gemäß der erklärten Landesfreiheit einen Zivil= oder Strafrechtshandel aus „beweglichen 
Ursachen“ vom ordentlichen Richter ab und an sich selbst oder seine Räte ziehen. 
Die oberste Justizstelle des Landes war nach Wegfall der Zuständigkeit des Reichskammer- 
gerichtes 1625 der geheime Nat, seit 1644 das Revisorium. Duaeselbe hatte jedoch nur Ge- 
richtsbarkeit in bürgerlichen Sachen. 
Der Hofrat, der im 16. Jahrhunderte zu einem ständigen Kollegium wurde, war Organ 
der Rechtspflege, insbesondere der Strafrechtspflege, und bis 1779 der Polizei. Seine örtliche Zu- 
ständigkeit war in der Weise bemessen, daß er für den Nentamtebezirk München die Stelle der 
Regierung vertrat, für die anderen Rentamtsbezirke die Oberaussichtsstelle und zum Teile Instanz 
über den Regierungen war, letzteres jedoch nicht für Strafsachen. 
In den Rentamtsbezirken Burghausen, Landehut und Straubing nahmen die Regierungen, 
an deren Spitze ein Vizedom stand, die Stelle des Hofrates ein. 
Im Jahre 1779 wurde unter Beschränkung der Zuständigkeit des Hofrates und der Hof- 
kammer für die wichtigern Landes= und Polizeigeschäfte mit Ausschluß der Justizsachen einerseits, 
der Finanzsachen andererseits eine Oberlandesregierung gebildet. Diese erhielt 1788 
auch die Geschäfte des im 17. Jahrhunderte errichteten Kommerzienkollegiums überwiesen. 
Besondere Kollegien für einzelne Zweige der Justiz und Polizei waren: der geistliche 
Rat (seit 1570), das Collegium medicun (1755), das Bücherzenfsurkollegium
	        
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