85. Staat und Kirche. 7
bestehenden patrimonialen Bildungen zu beseitigen.
Die landsässigen Güter teilten sich in Herrschaften mit höherer Gerichtsbarkeit und
Polizeigewalt, welche den kurfürstlichen Land= und Pfleggerichten gleichgeordnet waren, Hof-
marken, welche nur niedere Patrimonialgerichtsbarkeit in Unterordnung unter die Land= und
Pfleggerichte besaßen, endlich gefreite Sitze mit Gerichtsbarkeit innerhalb der Dachtraufe.
Zum Erwerbe der gutsherrlichen Gerichtsbarkeit waren im allgemeinen sämtliche gefreite
Stände fähig. Jedoch konnten „adelige Landgüter“ durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden an Nicht-
adelige nur mit landesherrlicher Genehmigung gelangen.
Eine schädliche Ausdehnung hatte der Adel seinem Vorrechte dadurch noch zu geben gewußt,
daß er in dem 60. Freiheitsbriefe vom 22. Dezember 1557 sich auch die Gerichtsbarkeit über seine
außerhalb der Hofmarken in den Landgerichtssprengeln gelegenen, sog. einschichtigen Güter zu-
sichern ließ. Dieses Vorrecht blieb indessen auf den gefreiten Adel beschränkt. Der mißbräuch-
lichen Anwendung des 60. Freibriefs trat Maximilian 1. mit einem Erklärungsdekret vom 1. März
1641 entgegen.
Als selbständige Verwaltungskörper erscheinen auch die Städte und die deuselben gleich-
gestellten gefreiten oder gebannten Märkte. Zu den Städten zählten jene Gemeinden, die mit
dem Stadtrechte begabt waren. Die Befugnis, Stadtrecht zu verleihen, galt als Recht der Landes-
hoheit. Die Städte hatten Landstandschaft und daher Sitz und Stimme im Landtage.
Aus der Zahl der Städte hoben sich als eine bevorzugte Klasse die Hauptstädte — München,
Landshut, Straubing, Burghausen und Ingolstadt — heraus. Sie waren dem renutmeisterischen
Umritte nicht unterworfen und standen unmittelbar unter dem Hofrate oder den Regierungen,
später der Oberlandesregierung. Sie besaßen die hohe und niedere Gerichtsbarkeit. München,
Landshut und Straubing waren außerdem zur landschaftlichen Verordnung fähig. Im übrigen
bemaßen sich die Vorrechte dieser Städte nach den ihnen besonders erteilten, im einzelnen ziem-
lich verschiedenen Privilegien.
Die übrigen Städte waren dem reutmeisterischen Umritte unterworfen, den Land= und Pfleg-
gerichten untergeordnet und nur im Besitze einer beschränkten niederen Gerichtsbarkeit.
Das Gebiet einer Stadt hieß der Burgfrieden und war durch Vermarkung und Beschreibung
festgestellt.
Die Gemeindebehörde (das Stadtregiment) war der Magistrat (Rat, Senat), bestehend aus
dem Bürgermeister (in Märkten Kammerer genannt) als Vorstand und den inneren und äußeren
Ratsmitgliedern. Die Besetzung der Stellen geschah regelmäßig durch Wahl. Unter den Ge-
meindebeamten sind insbesondere die Syndici oder Stadt= und Marktschreiber und die Stadtrichter
hervorzuheben.
Ein allgemein gültiges Recht bezüglich der Verfassung der Stadtgemeinden gab es übrigens nicht.
Die wesentlichen Befugnisse der Stadtgemeinden waren die Gerichtsbarkeit innerhalb des
Burgfriedens über Bürger, Beisassen und Fremde, und zwar in den Hauptstädten auch die pein-
liche und die Gant-Gerichtsbarkeit, die Polizei, die Bewaffnung der Bürger, das Recht der selb-
ständigen Finanzverwaltung und der selbständigen Erhebung der Steuern.
Die Dörfer waren Gemeinden ohne Stadt= und Marktrecht. Ihre Eigenschaft als Körper-
schaften war anerkannt. Die Vorsteher hießen Dorfsführer, Hauptleute oder Obmänner, auch
Vierer. Sie wurden regelmäßig von versammelter Gemeinde gewählt, bedurften aber der Be-
stätigung des Landgerichts oder der Gemeindeherrschaft.
Gemeindeversammlungen durften von den Ortsführern außer wegen der regelmäßig vor-
kommenden und besonders dringender Gemeindeangelegenheiten nur mit obrigkeitlicher oder herr-
schaftlicher Erlanbnis berufen werden.
Die Führung des Gemeindehaushaltes und die Wahrnehmung der gemeindlichen Aufgaben
oblag vornehmlich den Ortsführern.
§ 5. Staat und Kirche. Bayern war bis zum Beginne des 19. Jahrhunderts ein katho-
lisches Land. Nur das katholische Glaubensbekenntnis war zugelassen, nur die katholische Kirchen-
gesellschaft auerkannt. Die Katholizität des Landes wurde von der staatlichen Polizeigewalt nach
negativer und positiver Richtung zur Geltung gebracht.
Den Angehörigen der übrigen christlichen Bekenntnisse war die Niederlassung, der Gewerbe-
betrieb und die Verehelichung in Bayern nicht gestattet.
Die Juden waren schon durch die Landesordnung von 1553 aus Bayern verwiesen worden
und die Landes= und Polizeiverordnung von 1616 erneuerte diese Anordnung mit fast den gleichen
Worten. Allerdings blieben diese Verbote im 18. Jahrhunderte nicht mit voller Schärfe in Kraft,
insbesondere wurden Juden mit kurfürstlichen Pässen oder Toleranzpatenten geduldet und als Hof-
faktores oder Schutzverwandte ausgenommen.