87. Verfassungsgeschichte. 9
Der Preßburger Friede vom 26. Dezember 1805 brachte Bayern die Erhebung zum
Königreiche und den Erwerb der Souveränetät, vorläufig ohne Ausscheiden aus dem „deut-
schen Bunde“. Die Annahme des Königstitels wurde am 1. Jannar 1806 verkündet. An Ge-
bietsteilen gewann Bayern Burgau, den Rest von Eichstätt und Passau, Tirol, Brixen, Trient und
Vorarlberg, Lindau und Augsburg, dann einige kleinere Herrschaften. Würzburg ward abgetreten,
1806 auch Berg, dagegen Ansbach erworben.
Am 12. Juli 1806 trat Bayern in den Rheinbund ein und sagte sich unterm 1. August
gl. Is. mit den übrigen Rheinbundstaaten vom Reiche los, das nunmehr zu bestehen aufhörte,
An Gebiet erhielt Bayern durch die Rheinbundakte Nürnberg, beträchtliche reichsständische und
reichsritterschaftliche Besitzungen u. A.
Der Pariser Vertrag vom 28. Februar 1810 brachte Bayern als Länderzuwachs
Baireuth, Regensburg, das Inn= und Hausruckviertel, Salzburg und Berchtesgaden; dagegen wurde
Südtirol an Frankreich abgetreten. Kleinere Gebietsauseinandersetzungen mit Württemberg und
Würzburg folgten.
Im Rieder Vertrage mit Oesterreich vom 8. Oktober 1813 sagte Bayern sich vom
Rheinbunde los und trat dem Bündnisse gegen Frankreich bei. Bayern erhielt die Wahrung seiner
vollen Souveränetät und Entschädigung für etwaige Gebietsabtretungen zugesichert.
Im folgenden Jahre gingen gemäß dem Pariser Vertrage vom 3. Juni 1814 Würz-
burg und Aschaffenburg an Bayern über, während Tirol und Vorarlberg (mit Ausnahme der Aemter
Vils und Weiler) an Oesterreich abgetreten wurden.
Durch Vertrag mit Oesterreich vom 14. April 1816 (dazu Frankfurter Ter-
ritorialrezeß vom 20. Juli 1819) erwarb Bayeru die Pfalz und einige kleinere Gebietsteile
und überließ an Oesterreich das Amt Vils sowie das Hausruck= und Junmviertel und Salzburg
unter teilweiser Rückbehaltung einiger Landgerichte.
Das bayerische Gebiet zerfiel nun in zwei getrennte Landesteile rechts und links des Rheins.
Das schon im Rieder Vertrage gemachte Versprechen, daß das bayerische Gebiet „ un contigu com-
plet et ininterrompn“ bilden solle, blieb unerfüllt. Hierfür bezieht Bayern von Oesterreich noch
jetzt nach dem Vertrage vom 14. April 1816 eine „Contiguitätsentschädigung“ von 100000 Gulden.
Bayern war inzwischen dem neu gebildeten deutschen Bunde beigetreten. Die Bundesakte
vom 8. Juni 1815 wurde durch königliche Erklärung vom 18. Juni 1816 im Regierungsblatte
von 1817 S. 635 verkündet, jedoch nicht als Gesetz, sondern lediglich als Vertrag.
§ 7. Verfassungsgeschichte. Die landständischen Verfassungen in den bayerischen Staaten
blieben nach dem Regierungsantritte Maximilians IV. Josef zunächst unverändert. Allerdings er-
litt aber die Zusammensetzung der bayerischen Landschaft eine sehr eingreifende Veränderung da-
durch, daß die Säkularisationen, welche im Vollzuge des Entschädigungsplanes der Reichshaupt-
deputation 1802 verfügt wurden, den Wegfall des Prälatenstandes bewirkten.
Indessen waren nach den Absichten des großen Reformators des bayerischen Staates, des
Staatsministers Maximilian Josef von Montgelas, die Tage der Landschaft schon damals
gezählt. Durch den Preßburger Frieden war der Landesherr von Bayern Souverän und König
geworden. Aus der neu erworbenen Souveränetät schöpfte man die Berechtigung und den Mut,
der landständischen Verfassung sich zu entledigen.
Den ersten Schlag führte die Verordnung vom 8. Juni 1807. Dieselbe sprach
den Grundsatz aus, daß die bisherigen Befreiungen von Staatsauflagen, insbesondere von der
Grundvermögenssteuer aufzuhören hätten. Zugleich wurde die Aufhebung der landschaftlichen Kassen
und der Einziehung der Stenern durch ständische Steuereinnehmer für alle Provinzen mit land-
ständischer Verfassung verfügt. Im übrigen wurden die landschaftlichen Ausschüsse und Depu-
tationen zwar belassen, die drohende völlige Beseitigung der landschaftlichen Verfassung fand sich
jedoch bereits angedeutet.
Bald darauf kam die Verfassungsfrage in einen rascheren Fluß. Napoleon hatte am 7. Juli
1807 den Frieden zu Tilsit geschlossen, aus welchem eine neue staatliche Schöpfung, das Königreich
Westfalen, hervorging. Letzteres erhielt unterm 25. November 1807 eine Verfassung, die als Vor-
bild für die rheinischen Bundesstaaten dienen sollte.
Der König von Bayern begab sich noch im nemlichen Jahre zu Napoleon nach Mailand,
wohin er vom Kaiser eingeladen worden war. Nach der Rückkehr des Königs begannen im Januar
1808 die Beratungen über den Erlaß einer Verfassung.
In der Nummer des Regierungsblattes vom 18. Mai 1808 erschien sodann eine königliche
Verordnung vom 1. gl. Mts., worin der König erklärte, er habe für zweckmäßig gefunden, seinem
Reiche eine „neue allgemein gleiche Konstitution“ zu geben und statt der bisher nur in einigen
Provinzen bestandenen besonderen landschaftlichen Verfassungen eine allgemeine Repräsentation ein-