Full text: Staatsrecht des Königreichs Bayern.

IO Erster Abschnitt: Geschichtliche Einleitung. II. Bayern vom Ende des 18. Jahrhunderts bis 1818. 87. 
zuführen. Infolge dieses Beschlusses seien alle bisherigen landschaftlichen Körperschaften als auf- 
gehoben erklärt. 
Dieser Verordnung folgte in der Nummer des Regierungsblattes vom 25. Mai 1808 die 
Konstitution für das Königreich Bayern, gegeben am 1. gl. Mts. Die neue Ver- 
fassung sollte am 1. Oktober 1808 eingeführt werden. 
In derselben prägen sich die Vorzüge und Mängel des damaligen Regierungssystems dentlich 
aus: einerseits das zielbewußte Streben nach fester Begründung und Zusammenschließung der 
Staatsgewalt, andererseits die Unfähigkeit, den Gedanken eines wahrhaften Verfassungsstaates zu 
ergreifen und lebenskräftig zu gestalten. Immerhin aber ist in dieser Verfassung eine große Summe 
politischen Fortschrittes niedergelegt. 
Die neue Verfassung war sehr knapp gehalten. Ihre sechs Titel handeln von den Grund- 
bestimmungen, der Thronfolge und den Rechtsverhältnissen des kgl. Hauses, von der Verwaltung 
des Reichs, der Nationalrepräsentation, der Rechtspflege und dem Heere. Die Bestimmungen über 
die Kreis= und Landesvertretung waren völlig mißglückt und sind auch niemals ins Leben getreten. 
Aus den „Grundbestimmungen“ verdienen folgende Hauptsätze Erwähnung: 
Die besonderen Verfassungen, Privilegien, Erbämter, Landstände der Provinzen sind aufge- 
hoben; eine Nationalrepräsentation vertritt das ganze Königreich. 
Im Staate wird überall nach gleichen Gesetzen gerichtet, nach gleichen Grundsätzen verwaltet, 
gilt überall dasselbe Steuersystem. 
p Eine gleichmäßige Kreiseinteilung nach natürlichen Grenzen tritt an Stelle der bisherigen 
rovinzen. 
Die Leibeigenschaft hört auf. Der Adel behält seine Titel und wie jeder Gutseigentümer 
seine gutsherrlichen Rechte. Aber er trägt die Staatslasten gleich anderen Bürgern, bildet keinen 
besonderen Teil der Nationalrepräsentation, hat kein ausschließliches Recht auf Aemter, Würden 
und Pfründen des Staates. Auch die Geistlichkeit genießt keine Vorrechte. 
Der Staat gewährt seinen Bürgern Sicherheit der Person und des Eigentums, Gewissens- 
und Preßfreiheit; den Glaubensgesellschaften Sicherheit ihres Besitztums. 
Nur Eingeborene oder im Staate Begüterte können Staatsämter bekleiden. 
An den Erlaß der Verfassung schloß sich, zumeist in rascher Folge, eine Reihe von orga- 
nischen Edikten und Verordnungen zu deren näherer Ausführung. 
Die neuen Edikte und Erlasse umfaßten ein sehr beträchtliches Gebiet der Gesetzgebung: die 
Rechtsverhältnisse des königlichen Hauses, die gesamte Einrichtung der Staats= und Gemeindever- 
waltung und der Rechtspflege sowie des Heerwesens, die Besteuerung, die kirchlichen Verhältnisse, 
eine Reihe persönlicher und vermögensrechtlicher Verhältnisse der Untertanen, insbesondere die stän- 
dischen Vorrechte. Von öffentlichrechtlicher Bedeutung ist in letzterer Beziehung vorzugsweise die 
Regelung des Erwerbs und Verlustes des Adels und die Aufhebung der Edelmannsfreiheit. 
Die Verfassung von 1808 konnte auf die Dauer dem Lande nicht genügen. Doch vermochte 
die Regierung in der kriegerisch bewegten Zeit bis zum Sturze Napoleons eine Umgestaltung der 
Verfassung nicht in Angriff zu nehmen. 
Erst eine königliche Entschließung vom 17. September 1814 brachte die Sache in Gang. 
Ein Ausschuß von höheren Staatsdienern wurde mit der Arbeit betraut. Vorsitzender war der 
Minister Graf Reigersberg. Die Sitzungen dauerten vom 20. Oktober 1814 bis zum 26. Januar 
1815. Der König ordnete unterm 7. März 1815 auch eine Durchsicht der konstitutionellen Edikte 
und unterm 14. gl. Mts. eine nochmalige Ueberarbeitung der Verfassung unter Berücksichtigung der 
Bemerkungen des Kronprinzen Ludwig an. Indessen blieben die Arbeiten bald darauf liegen. Erst 
durch eine königliche Entschließung vom 16. Februar 1818 wurde deren Wiederbeginn veranlaßt. 
Der König verfügte, es solle den Beratungen einer Ministerialkonferenz „die im Jahre 1814 ent- 
worfene Konstitutionsurkunde mit den darnach verfaßten einschlägigen organischen Edikten zum 
Grund gelegt“ werden. Die Sitzungen begannen am 26. Februar 1818. Am 20. Mai wurde die 
in einem kleineren Komite nochmals geprüfte Verfassungsurkunde in zweiter Lesung festgestellt, am 
22. wurden die zehn Verfassungstitel vorgetragen und vom Könige genehmigt. Am 23. Mai fand 
eine Staatsratssitzung über die Verfassungsurkunde statt, worauf der König durch Signat vom 
25. gl. Mts. die Genehmigung der Verfassung und der darauf sich beziehenden Edikte aussprach. 
Dieser Tag und nicht, wie irrtümlich behauptet worden ist, der 22. Mai ist der Tag der endgül- 
tigen Entschließung des Königs. Vom 25. Mai bis zum 22. Juni hielt die Ministerialkonferenz 
noch einige Sitzungen zur Feststellung mehrerer Edikte und des königlichen Familiengesetzes. 
Die Verfassungsurkunde wurde, zu München den 26. Mai 1818 ausgefertigt, durch 
das Gesetzblatt verkündet. Zugleich wurde eine Erklärung des Kronprinzen vom 30. gl. Mts. ver- 
öffentlicht, worin derselbe die neue Verfassung als ein bindendes Staatsgrundgesetz anerkannte.
	        
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