Full text: Staatsrecht des Königreichs Bayern.

8 15. Ausübung der Staatsgewalt für den Herrscher. 33 
Sie sind ferner frei von der Wehrpflicht!), sowie in gleicher Weise wie der König 
von den Heerlasten. 
§ 15. Ausübung der Staatsgewalt für den Herrscher (Regentschaft und Regie- 
rungsstellvertretung) ). Das Wesen des Staates fordert, daß er keinen Augenblick ohne 
Herrscher sei; es fordert nicht minder, daß die Ausübung der Herrschaft, die Regierung, 
keine Unterbrechung erleidet. Indessen besteht gleichwohl die Möglichkeit, daß das Staats- 
oberhaupt zeitweilig oder dauernd nicht in der Lage ist, die Staatsgeschäfte wahrzunehmen. 
Die Gründe hiefür können von dreierlei Art sein. Es kann sich um eine zeitweilige, 
aus freiem Belieben erfolgende Abgabe einzelner oder aller Regierungsgeschäfte (Abhal- 
tung) handeln. Der König kann ferner, obgleich regierungsfähig, doch durch äußere, von 
seinem Willen unabhängige Umstände (z. B. Kriegsgefangenschaft) an der Regierung be- 
hindert sein. Endlich kann körperliche oder geistige Regierun gsunfähigkeit 
des Königs vorliegen. Für all diese Fälle muß Vorsorge dahin getroffen werden, daß die 
mangelnde Regierungstätigkeit des Herrschers durch die Tätigkeit anderer ersetzt wird. 
Ein solcher Ersatz kann nach bayerischem Staatsrechte entweder infolge eigener Ver- 
fügung des Königs oder kraft des Gesetzes eintreten. Im ersten Falle spricht man von 
Stellvertretung, im zweiten Falle von Reichsverwesung oder Regentschaft. Das Gemein- 
same dieser beiden Arten der Ersetzung des Königs ist, daß die Regierungshandlungen stets 
im Namen des Königs geschehen, das Unterscheidende, daß die Stellvertretung in perfön- 
lichem Auftrage, die Regentschaft in gesetzlicher Berufung ihren Grund hat. Dieser Unter- 
schied in dem Grunde, aus welchem der Ersatzmann seine Berechtigung herleitet, für den 
König zu handeln, bringt auch einen Unterschied in der Gestaltung des Inhalts dieser Be- 
rechtigung mit sich. Der Umfang der Befugnisse des Stellvertreters bemißt sich nach seinem 
Auftrage, der Befugnisse des Reichsverwesers nach dem Gesetze. 
Eine außerordentliche Form der Regierungsausübung für den Herrscher ist nach der 
bayerischen Verfassungsurkunde (Tit. II § 6) das Bizekönigtum, dessen Einsetzung dann 
nötig ist, wenn die „Krone an die Gemahlin eines auswärtigen größeren Monarchen“ 
gelangt. Die Verfassung gibt über die staatsrechtliche Natur dieser Einrichtung keinen 
näheren Aufschluß. 
Regentschaft oder Reichsverwesung ist Ausübung der Staatsgewalt für 
den Herrscher kraft Berufung durch das Gesetz. 
Die Regentschaft ist Ausübung der Staatsgewalt, sie ist nicht die Staatsgewalt 
selbst. Der Regent ist nicht Herrscher. Er hat die persönlichen Rechte, welche dem Herrscher 
zukommen, nur soweit, als das Gesetz sie ihm ausdrücklich zubilligt. Er hat also in bezug 
auf diese Rechte die Vermutung gegen sich. 
Die Regentschaft ist die Ausübung der Staatsgewalt. Sie bezieht sich nicht auf 
besondere einzelne Hoheitsrechte, sondern auf die Staatshoheit als Ganzes. Der Regent 
darf, soweit er nicht durch ansdrückliche gesetzliche Vorschrift beschränkt ist, dem Grundsatze 
nach alles tun, was der König tun darf (Verf.-Urk. Tit. II § 17). Er hat die Vermutung 
der Zuständigkeit für sich. 
Die Regentschaft ist Ausübung der Staatsgewalt für den Herrscher. Der 
Regent muß alles, was er als solcher tut, im Namen des Königs tun (Verf.-Urk. Tit. 11 
§ 15). Der Bestand seiner Regentschaft ist vom Bestande der Herrschaft des Königs, für 
diar er Regent ist, abhängig. Die gesetzmäßigen Regierungshandlungen des Regenten sind 
Reichs- Kriegsdienstgesetz vom 9. November 1867 §. 1 (B.G. Bl. S. 131). 
2) A. von Kirchenheim, die Regentschaft, Leipzig 1880. v. Seyd el, das Recht der 
Regentschaft in Bayern, München 1880. E. Hanuckc, Regeutschaft und Stelvertretung des Landes- 
herrn nach deutschem Staatsrechte. Breslau 1887. M. Zeunert, Regentschaft und Vertretung 
des Staatsoberhauptes in Hirth's Annalen 1900, S. 2# ff., dortselbst S. 47 aus führliche Lite-- 
raturangaben. G. Jellinek, System der subjektiven öff. Rechte, Freiburg 1892 S. 145 f. 
Handbuch des Oessentlichen Rechts II. 4. Aanpern. 3. Auflage. 3 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.