36 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. I. Der Herrscher. § 15.
zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Staatsministers des königlichen Hauses und
des Aeußern.
Der genannte Minister hat die Urkunde bis zum Ableben des Königs oder bis zu
dessen Abdankung im Hausarchive verwahren zu lassen. Tritt der Fall der Regentschaft
ein, so hat der Minister des Hauses die Urkunde dem Gesamtstaatsministerium zur Ein-
sicht und öffentlichen Bekanntmachung (durch das Gesetz= und Verordnungsblatt) vorzu-
legen. Zugleich erfolgt Mitteilung der Urkunde an den ernannten Reichsverweser (Verf.=
Urk. Tit. II 8 12).
Ist im Falle der ordentlichen Reichsverwesung vom Regierungsvorgänger kein Regent
ernannt, so „gebührt die Reichsverwesung demjenigen volljährigen Agnaten, welcher nach
der festgesetzten Erbfolgeordnung der nächste ist“.
Dabei ist selbstverständlich vorausgesetzt, daß der nächstberufene Agnat in der Lage
sei, die Regierung führen zu können. Kann er dies nicht, so wird die Regentschaft unter
den Agnaten nach der Thronfolgeordnung an den nächsten Regierungsfähigen weiter ver-
geben (Verf.-Urk. Tit. II § 10).
„Wenn kein zur Reichsverwesung geeigneter Agnat vorhanden ist, der Monarch je-
doch eine verwittibte Königin hinterläßt, so gebührt dieser die Reichsverwesung“ (Verf.=
Urk. Tit. II § 13).
Hiebei ist gleichgültig, ob die Königinwitwe die Mutter des neuen Königs ist oder
nicht. Dagegen kann die Mutter des neuen Königs, wenn sie nicht Königinwitwe ist,
niemals zur Reichsverwesung gelangen.
Die Königin-Witwe darf, wenn sie Regentin werden soll, weder an der Regierung
behindert noch regierungsunfähig sein.
In letzter Linie sind die Kronbeamten zur Regentschaft berufen (Verf.-Urk. Tit. II
§ 13). Unter diesen hat zunächst derjenige den Vorzug, welchen der letztverstorbene König
hiezu ernannt hat.
Mangels solcher Ernennung sind die Kronbeamten nach ihrer Rangordnung zur Re-
gentschaft berufen. Die Rangfolge derselben ist nachstehende: Kron-Oberst-Hofmeister, Kron-
Oberst-Kämmerer, Kron-Oberst Marschall, Kron-Oberst-Postmeister.
Bei der außerordentlichen Reichsverwesung soll nach den Worten der Verfassung
„gleichfalls die für den Fall der Minderjährigkeit bestimmte gesepliche Regentschaft" statt-
finden (Verf.-Urk. Tit. 11 § 11). Die Berufungsordnung ist hienach dieselbe, nur fällt
die Möglichkeit der Ernennung eines Regenten durch den Regierungsvorgänger weg.
Die Frage, ob die Berufungsordnung nur für den Anfall der Regentschaft oder
auch für deren Fortführung nach dem Anfalle Geltung hat, ist, insbesondere mit Rück-
sicht auf die Entstehungsgeschichte ) der Verfassungsurkunde, in folgender Weise zu be-
antworten.
Wo die Reihenfolge der Berufenen nach der Thronfolgeordnung sich bestimmt, hat
der Agnat, welcher mit Uebergehung einer gesetzlich früher berufenen, aber beim Regent-
schaftsanfalle ungeeignet gewesenen Persönlichkeit Regent geworden ist, zurückzutreten, so-
bald der ihm vorgehende Agnat in der Lage ist, die Regentschaft zu übernehmen. Dagegen
kann der Agnat, der vom Könige zum Verweser ernannt ist, wenn er die Regentschaft
beim Anfalle nicht erworben hat, später nur mehr nach Maßgabe der gesetzlichen Ordnung
zur Regentschaft gelangen. Der Regent, welcher wegen Mangels eines geeigneten Agnaten
zur Regierung gelangt ist, hat gegebenen Falles vor einem Agnaten, dagegen niemals vor
einem Nicht-Agnaten zurückzutreten.
Voraussetzung nicht des Antritts, wohl aber der Fortführung der Regentschaft ist
1) Darüber von Seydel, baper. Staatsrecht I S. 234 ff.