* 15. Ausübung der Staatsgewalt für den Herrscher. 37
die Leistung des Regenteneides. Der Regent muß „gleich nach dem Antritte der Regent-
schaft" die Kammern versammeln „und in ihrer Mitte und in Gegenwart der Staatsmi-
nister sowie der Mitglieder des Staatsrats nachstehenden Eid ablegen“:
„Ich schwöre den Staat in Gemäßheit der Verfassung und der Gesetze des Reichs
zu verwalten, die Integrität des Königreiches und die Rechte der Krone zu erhalten, und
dem Könige die Gewalt, deren Ausübung mir anvertraut ist, getreu zu übergeben, so wahr
mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium“.
Ueber diese Eidesleistung wird eine besondere Urkunde ausgenommen (Verf.-Urk.
Tit. II § 16).
Hinsichtlich der sachlichen Befugnisse des Regenten stellt die Verfas-
sungsurkunde (Tit II § 17) den Grundsatz auf: „Der Regent übt während seiner Reichs-
verwesung alle Regierungsrechte ans, welche durch die Verfassung nicht besonders ausge-
nommen sind“. Er übt ferner (Familienstatut Tit. I § 3) die Rechte aus, welche dem
Könige als Haupt des königlichen Hauses familiengesetzlich zukommen.
Die Verfassungsurkunde legt in Tit. II § 18 dem Regenten mehrere Beschrän-
kungen seiner Regierungsbefugnisse auf. Angesichts dieser Bestimmungen
erhebt sich die Frage, ob es während der Regentschaft möglich ist, die Verfassung selbst zu
ändern und damit auch diese Beschränkungen zu beseitigen.
Nach der Absicht der Verfassung sollten, wie aus dem Protokolle über die Staats-
ratssitzung vom 23. Mai 1818 erhellt, solche Aenderungen unzulässig sein. Allerdings hat
diese Absicht keinen unmittelbaren Ausdruck in der Verfassung gefunden. Man verließ sich
auf den Schluß a minore ad maius, der aus Tit. II § 18 sich ergebe, sowie auf die Be-
stimmung in Tit. X § 7 der Verf.-Urk., daß Vorschläge zu Verfassungsänderungen allein
vom Könige ausgehen.
Demgegenüber ist zuzugestehen, daß jener Schluß logisch nicht unbedingt zwingend,
wenn auch nicht gerade unmöglich ist, und daß man sich auf den Wortlaut des Tit. X
§ 7 der Verf.-Urk. kaum berufen kannt), da dessen Spitze sich gegen den Landtag, nicht
gegen den Regenten richtet. Nicht zuzugestehen, weil der Aktenlage widersprechend, ist da-
gegen, daß am 23. Mai 1818 die Verfassung bereits endgültig sanktioniert gewesen sei.
Man wird bei dieser Sachlage die Absicht der Verfassung wohl nicht leugnen
können und man würde vielleicht, gerade weil es sich um eine vom Könige verliehene
Verfassung handelt, auch den höchst unvollkommenen Ausdruck dieser Absicht gelten lassen,
wenn es in der Tat möglich wäre, auf die Dauer an diesen Willen der Verfassung sich
zu binden.
Diese grundsätzliche Frage ist meines Erachtens die entscheidende, nicht die, ob es
formell juristisch angängig ist, um die Absicht der Verfassung herumzukommen. Denn selbst
wenn man annimmt, daß Verfassungsänderungen unter der Regentschaft nach der Absicht
der Verfassung unzulässig sein sollen, ist damit noch nicht gesagt, daß sie auch unmöglich
seien.
In der Tat sind auch solche Aenderungen als möglich zu erachten. Beschränkungen,
welche der Gesetzgeber der Gegenwart dem Gesetzgeber der Zukunft auferlegt, sind not-
wendig prekärer Natur. Sie können unter Umständen politische Bedeutung haben, insofern
sie Beweggrund der Ablehnung eines Gesetzesvorschlages durch den Landtag oder der
Sanktionsverweigerung sein können. Aber wenn die Faktoren, die bei der Entstehung des
Gesetzes beteiligt sind, dahin einig werden, sich an solche Beschränkungen nicht zu binden,
so sind sie nicht behindert, sich darüber hinwegzusetzen. Dabei macht es keinen Unterschied,
ob die Beschränkungen auf die Gesetzgebungstätigkeit des Königs oder eines Regenten
1) Vgl. auch Verf.lrk. Tit. VII § 30.