Full text: Staatsrecht des Königreichs Bayern.

8 19. Rechtsunterschiede und Auszeichnungen der Staatsangehörigen. 45 
ministerium des kgl. Hauses und des Aeußern abhängig (§ 8). Auf den Adel kann ver- 
zichtet werden (§ 18). Strafgerichtliche Verurteilung bewirkt den Verlust des Adels nicht ½), 
dagegen tritt Einstellung (Suspension) des Adels „durch Uebernahme niederer, bloß in 
Handarbeit bestehender Lohndienste, durch die Ausübung eines Gewerbes bei offenem Kram 
und Laden oder eines eigentlichen Handwerkes“ ein (8 21). 
Die Adelsvorrechte der Verfassungsurkunde, die für die Pfalz von Anfang an nur 
zum kleinsten Teile Geltung hatten (kgl. Entschließung vom 5. Oktober 1818, C), sind, 
was den niederen Adel anlangt, durch die spätere Rechtsentwicklung zumeist beseitigt?) 
worden. Auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes besteht lediglich noch die Bestimmung, 
daß nur adelige Gutsbesitzer zu erblichen Reichsräten ernannt werden dürfen (Verf.-Urk. 
Titel VI § 3). Dies hängt mit dem gleichfalls fortbestehenden privatrechtlichen Vorrechte 
zusammen, daß nur adelige Familien Familienfideikommisse besitzen können), welches Vor- 
recht für die Pfalz nicht besteht, da das frühere dort gültige, bürgerliche Recht (Code eivil 
art. 896) Fideikommisse nicht zuließ und Art. 135 Abs. II des Ausführungsgesetzes zum 
Bürgerlichen Gesetzbuch diesen Rechtsstand bestätigte. Dem niederen Adel gehört auch die 
vormalige Reichsritterschaft") an. Deren Verhältnisse wurden zunächst durch eine königliche 
Erklärung vom 31. Dezember 1806 (R.-Bl. 1807 S. 193) geregelt, wonach die Reichs- 
ritterschaft dem landsässigen Adel ziemlich gleich gestellt war. Die Verfassungsurkunde 
(Tit. V §# 3) hat es in der Hauptsache dabei belassen. 
Eine erheblich bevorrechtete Stellung nimmt nunmehr nur noch der hohe oder stan- 
desherrliche Adel ein. Zu diesem gehören jene Familien 5), welche bis zum Jahre 
1806 Reichsstandschaft und Landeshoheit besessen und dieselbe damals oder später verloren 
haben. Die Rechtsverhältnisse dieser „Mediatisierten“ wurden in Bayern zunächst auf der 
Grundlage der Rheinbundakte durch die königliche Erklärung vom 19. März 1807 (R.-- 
Bl. S. 465), weiterhin in Verfolg des Art. 14 der deutschen Bundesakte durch die Ver- 
fassungsurkunde Beil. 1 5§ 14, 15 und Beil. IV geregelt. Die frühere bundesmäßige 
Gewährleistung der standesherrlichen Rechte ist durch die Auflösung des deutschen Bundes 
weggefallen "). 
Damit eine standesherrliche Familie alle Rechte einer solchen in Bayern ausüben 
könne, ist nötig, daß sie vormals reichsständischen Besitz in Bayern hat, daß sie bezw. ihr 
Ausschuß-Bericht der Abg. K. S. 255. Staudinger, Vorträge S. 29, 79 ff. Vgl. auch 
Reger, Samml. Bd. 17 S. 77, 18 S. 281 (Unzulässigkeit des Rechtswegs); von Seydel 
in Bl. f. adm. Pr. Bd. 47 S 323. Ueber Namensänderung vgl. Art. 3 des Ausf.Ges. zum 
B. G. B. und hiczu ergangene . O. vom 24. Dezember 1899 (G.V.Bl. S. 1229) 8§ 1—3, ferner 
Min. Bek. vom 27. Tezember 1899 (G.V. Bl. S. 1241). 
gi * Verf. Beil. W § 17 mit bayer. Einf. G. zum N. St. G. B. vom 26. Dezember 1871 Art. 2 
iffer 
2) Durch Art. 135 des Ausf.G. zum B. G. B. wurde der letzte Rest der Siegelmäßigkeisrechte 
des Adels beseitigt. Vgl. auch Mantry, der niedere Adel und das B. G. B., Archiv für öffentl. 
Necht XIII S. 202 ff. 
3) Vgl. hieher P. v. Noth, bayer. Zivilrecht I § 32, Pözl, Lehrbuch des bayer. Ver- 
fassungsrechts §§ 54 ff. Nach Art. 59 des Einf.G. zum B.G# B. bleiben die landesgesetzlichen Vor- 
schriften über Fideikommisse und Lehen, mit Einschluß der allodifizierten Lehen, sowie über Stamm- 
güter unberührt. Vgl. indessen auch Art. 61 a. c. O. Böhm-Klein, Ausf.G. S. 12 ff. Zur 
Führung des Grundbuches sind nunmehr, ohne Ansnahme, die Amtsgerichte gemäß Art. 1 des 
Ansf-G. zur G.B.O. (vgl. auch Art. 13, 16, 341—36 d. G.) zuständig, daher auch für Fideikom= 
misse. Vgl. auch Art. 135 des Ausf.G., zum B. G.B. 
4) Vgl. Art. 53 Abs. U des Einf.G. zum B. G. B., ferner Art. 61 und 216. Der Vorbe- 
halt des Art. 58 ist für Bayern gegenstandslos, da die vormalige Reichsritterschaft das Recht der 
Selbstgesetzgebung nicht erhalten hat. 
5) Zufammenstellung der standesherrlichen Häuser Bayerns s. bei Weber, Anh.Bd. S. 578 ff. 
Das Gesetz vom 26. April 1882 (G. V.Bl. S. 163). die Hansgesetze des f. Gesamthauses Nassan 
betr., wurde durch B.G. B. nicht berührt (Protok. S. 8782 ff.). 
6FQ Agl. v. Seydcel, Komm. zur Reichsverf. 2. Aufl. S. 315 ff.; Staatsrecht l S. 121 ff., 
übereinstimmend Motive zum Gutw. d. B.G.B. Bd. l S.11ff. 
 
	        
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