68 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. III. Der Landtag. 827.
vor allen andern auf die Tagesordnung zu bringen, wenn nicht die betreffenden Staats-
minister oder Regierungskommissäre einen Aufschub verlangen oder demselben beistimmen 1).
Die Tagesordnung ist regelmäßig ausschließend maßgebend für das, was bei einer
Sitzung vorgebracht werden darf. Wenn jedoch die Staatsminister oder königlichen Kom-
missäre das Wort verlangen, um im Namen des Königs Vorlagen zu machen, so bleibt
die Tagesordnung bis nach Beendigung des Vortrages hierüber unterbrochen 2).
In jeder Woche soll ein Tag der Beratung und Erledigung der Anträge der Kammer-=
mitglieder, der Petitionen und der Beschwerden gewidmet werden. Der Kammer bleibt je-
doch unbenommen, diese Beratung und Erledigung zu vertagen und eine bereits begonnene
Verhandlung fortzusetzen und zu beendigen 3).
Die Redeordnung wird vom Präsidenten gehandhabt"'). Der Präsident als solcher
darf sich an der Verhandlung nicht beteiligen. Will er dies tun, so muß er den Vorsitz
abtreten. Dagegen kann der Präsident in Ausübung seiner amtlichen Befugnisse stets das
Wort ergreifen, insbesondere auch einen Redner unterbrechen.
Niemand darf sprechen, ohne zuvor vom Präsidenten das Wort verlangt und er-
halten zu haben. Die Staatsminister und königlichen Kommissäre sind von den Bestim-
mungen der Geschäftsordnung über die Voraussetzungen der Erteilung des Wortes gesetzlich
ausgenommen. Sie haben das Recht, über jeden Beratungsgegenstand auf ihr Verlangen
zu jeder Zeit gehört zu werden. Jedoch darf dadurch kein Redner in seinem bereits be-
gonnenen Vortrage unterbrochen werden 5).
Abänderungsvorschläge können, soferne sie mit dem Beratungsgegenstande in wesent-
lichem Zusammenhange stehen, vor Schluß der Beratung stets gemacht werden. Sie sind
schriftlich dem Präsidenten zu übergeben. Sie bedürfen in der ersten Kammer regelmäßig
der Unterstützung durch fünf Mitglieder, in der Abgeordnetenkammer regelmäßig keiner
Unterstützung. Bei Gesetzentwürfen haben auch die Regierungsvertreter das Recht, Ab-
änderungsanträge einzubringen 5).
An die Beratung reiht sich gegebenen Falles die Abstimmung.
Letztere ist durch die Fragestellung vorzubereiten, welche dem Präsidenten obliegt.
Jedem Kammermitgliede steht frei, Erinnerungen gegen die Fassung und Stellung
der Fragen zu machen. Dasselbe Recht haben auch die Regierungsvertreter, wenn die
Fragen eine Regierungsvorlage oder einen Gegenstand betreffen, der an die Regierung ge-
bracht werden soll. Die Kammer trifft dann die Entscheidung?).
Zur gültigen Abstimmung (Beschlußfähigkeit) wird die Gegenwart der Mehrheit jener
Mitglieder erfordert, welche der Kammer verfassungsmäßig angehören, ausgenommen jene
Fälle, in welchen gesetzlich die Anwesenheit einer größeren Anzahl vorgeschrieben ist #5).
Ergibt sich bei der Abstimmung die Beschlußunfähigkeit des Hauses, so hat der Prä-
sident die Abwesenden, und zwar auch die Beurlaubten, für die nächste Sitzung persönlich
laden und die Ladung bescheinigen zu lassen ). Gegebenen Falls reiht sich hieran die
schon früher erörterte Einschreitung.
Jedes anwesende Mitglied ist regelmäßig verpflichtet, an der Abstimmung teilzu-
nehmen 10). s
Ausnahmsweise ist in gesetzlich bestimmten Fällen den Kammermitgliedern die Teil-
1) Geschäftsgangs-Ges. Art. 24 Abs. II.
2) Geschäftsgangs-Ges. Art. 14. Die Bestimmung des Art. 15, daß kein Redner unter-
brochen werden darf, bezieht sich nicht hieher.
3) Geschäftsgangs-Ges. Art. 22 Abs. III u. 1V.
4) Geschäftsgangs-Ges. Art. 13 Abs. J. 5) Geschäftsgangs-Ges. Art. 15.
6) Geschäftsgangs-Ges. Art. 16. 7) Geschäftegangs-Ges. Art. 30.
8) Geschäftsgangs-Ges. Art. 25. 9) Geschäftsgangs-Ges. Art. 26.
10) Geschäftsgangs-Ges. Art. 29 Abs. I.