Full text: Staatsrecht des Königreichs Bayern.

8 28. Das Recht der Behördeneinrichtung. 71 
Die Landtagsmitglieder haben ein gesetzliches Interpellationsrechtt). Das- 
selbe ist nicht auf die Gegenstände des Wirkungskreises des Landtags beschränkt. Inter- 
pellationen sind kurz begründet und schriftlich dem Präsidenten zu übergeben, welcher sie 
sofort dem Minister mitzuteilen hat, in dessen Geschäftskreis der Interpellationsgegenstand 
gehört. In der folgenden nächsten oder spätestens zweitnächsten Sitzung wird die Inter- 
pellation vom Interpellanten verlesen und hierauf vor allem die Unterstützungsfrage gestellt. 
Findet die Interpellation die geschäftsordnungsmäßige Unterstützung, so hat der Minister 
sie entweder sofort zu beantworten oder den Tag der Beantwortung zu bestimmen oder 
die Gründe anzugeben, weshalb die Beantwortung nicht erfolgen kann. Der Fragesteller 
ist befugt, vor der Beantwortung seine Interpellation kurz zu begründen, er kann sie aber 
auch jederzeit zurückziehen. An die Beantwortung der Interpellation oder deren Ableh- 
nung darf sich eine sofortige Besprechung des Gegenstandes derselben schließen, wenn in der 
Kammer der Reichsräte mindestens 15, in der Kammer der Abgeordneten mindestens 25 
Mitglieder darauf antragen. Die Stellung eines Antrages bei dieser Besprechung ist un- 
statthaft. Jedem Kammermitgliede steht aber frei, auf dem geschäftsordnungsmäßigen Wege 
in Form eines Antrages den Gegenstand weiter zu verfolgen, dies unter der selbstverständ- 
lichen Voraussetzung, daß der Antrag in die Zuständigkeit des Landtages füällt. 
IV. Kapitel. 
Die Staatsbehörden?). 
5 28. Das Recht der Behördeneinrichtung. Das bayerische Staatsrecht kennt keine 
„Organisationsgewalt“ als einen besonderen Bestandteil der gesetzgebenden oder vollziehenden 
Gewalt, dies schon deshalb nicht, weil die bayerische Verfassungsurkunde von einer Teilung 
der Gewalten nichts weiß. 
Die Verfassungsurkunde erklärt, daß der König als Oberhaupt des Staates alle 
Rechte der Staatsgewalt in sich vereinigt und unter den verfassungsmäßigen Bestimmungen 
ausübt. Diesem Satze zufolge ist auch das Recht der Behördeneinrichtung ein Recht der 
Kronc und es kann sich nur fragen, ob es verfassungsmäßige Bestimmungen gibt, welche 
die Ausübung dieses Rechtes an die Zustimmung oder Mitwirkung des Landtags binden. 
Die Mitwirkung des Landtags bezieht sich im wesentlichen auf das Gebiet der Ge- 
setzgebung im materiellen Sinne des Wortes und auf die Führung des Staatshaushaltes. 
Dem Gebiete der materiellen Gesetzgebung gehört die Behördeneinrichtung nicht an und 
demgemäß, dem Grundsatze nach, auch nicht dem Gebiete der formellen Gesetzgebung. An- 
dererseits verwehrt es die Verfassung nicht, Bestimmungen organisatorischer Natur durch 
formelles Gesetz zu treffen. Ist dies geschehen, dann ist insoweit das Organisationsrecht 
der Krone gebunden, und können Aenderungen der erlassenen Vorschriften nur wieder im 
Wege des formellen Gesetzes bewirkt werden. 
Das nämliche gilt in entsprechender Weise auch da, wo durch Reichsgesetz organi- 
satorische Verfügungen für die Bundesstaaten erlassen worden sind. 
Es läßt sich also, wie hieraus ersichtlich ist, zwar als allgemeiner staatsrechtlicher 
Grundsatz aussprechen, daß das Organisationsrecht regelmäßig dem Könige unbeschränkt zu- 
kommt; dagegen sind die Ausnahmen von dieser Regel in keine allgemeine Formel zu fassen. 
Das Organisationsrecht der Krone erfährt, abgesehen von unmittelbaren formell-gesetz- 
lichen Beschränkungen, eine mittelbare Einschränkung durch das Budgetrecht des Landtags. 
Das Budget ist, wie später darzulegen sein wird, nach bayerischem Staatsrechte auch 
1) Geschäftsgangs-Ges. Art. 18—21 mit den Aenderungen durch § 26 des Landtagsab- 
schiedes vom 1. Juli 1886. Auch nicht stimmfähige Reichsräte können interpellieren. 
2) v. Seydel, Staatsrecht 1 S. 490 ff. E. Bernatzik, Archiv f. öff. Recht V S. 169 ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.