Full text: Staatsrecht des Königreichs Bayern.

74 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. IV. Die Staatsbehörden. § 30. 
klagen gegen Minister (G.-Bl. S. 133), sand. An Stelle der Art. 4 und 5 des letz- 
teren Gesetzes ist nun Art. 72 des Ausführungsgesetzes vom 18. Angust 1879 zur R.-St.= 
P.-O. getreten. 
Die Bestimmungen des Gesetzes vom 4. Juni 1848 sind folgende. 
Die königlichen Staatsminister sind die Träger der Verantwortung für die Gesetz- 
mäßigkeit der Regierung des Staates. Jeder Zweig der Regierungstätigkeit muß dem 
Geschäftskreise eines Staatsministers zugeteilt sein !). Das bayerische Staatsrecht kennt 
keine Minister ohne Portefenille. Niemand, also auch kein Staatsdiener, ist verpflichtet, ein 
Ministerium zu übernehmen. 
Zum Zustandekommen einer rechtsgültigen königlichen Regierungsanordnung ist die 
Uebereinstimmung der Willen des Königs und der Minister oder Ministerstellvertreter er- 
forderlich, in deren Geschäftskreis die Anordnung fällt. Die beiderseitige Entschließung ist 
hiebei von einander unabhängig. 
Die Freiheit der Willensbestimmung des Königs in Regierungsangelegenheiten ist 
dadurch gesichert, daß er, wenn er sich mit dem Minister nicht zu verständigen vermag, den- 
selben vom Amte entheben kann. 
Der König kann aber andererseits den Minister nicht zwingen, einer Regierungsan- 
ordnung zuzustimmen oder sie selbst zu erlassen, wenn der Minister sie für gesetzwidrig 
oder auch nur für schädlich erachtet. 
Das Gesetz sagt: „Hält der Vorstand eines Staatsministeriums eine ihm angesonnene 
Amtshandlung für gesetzwidrig oder dem Landeswohl nachteilig, so ist er verpflichtet, die- 
selbe abzulehnen, bezw. seine Gegenzeichnung unter schriftlicher Angabe der Gründe zu ver- 
weigern. Er ist berechtigt, seine Gründe dem Ministerrate darzulegen, dessen Protokoll 
dem Könige vorzulegen ist“. 
Der Minister oder Minister-Stellvertreter kann ferner zwar den König nicht nötigen, 
eine Regierungsanordnung zu treffen, die demselben nicht genehm ist, aber er kann, wenn 
er einen Regierungsakt als durch das Gesetz geboten oder vom Landeswohle gefordert er- 
achtet, sein Verbleiben im Amte davon abhängig machen, daß der König seinen bezüglichen 
Anträgen Folge gibt. 
Das Gesetz bestimmt für die beiden Fälle der Meinungsterschiedenheit zwischen 
König und Minister: Ein Staatsminister kann zu jeder Zeit um Enthebung von seiner 
Stelle bitten. Dieselbe darf ohne Rücksicht auf § 24 der IX. Verfassungsbeilage nicht 
verweigert werden, wenn sie aus dem Grunde erbeten wurde, weil der König in wich- 
tigen Regierungsangelegenheiten die Ratschläge seines Ministers nicht annehmen zu können 
glaubt. 
Eine Reihe von gesetzlichen Vorschriften bezweckt, die sachliche Unabhängigkeit, welche 
dem Vorstande eines Ministeriums bei seiner Amtsführung eingeräumt ist, auch mit per- 
sönlichen Sicherungen zu umgeben. 
Die Führung eines Ministeriums kann nur cinem Staatsrate im ordentlichen 
Dienste übertragen werden, welcher hiedurch einen sofort unentziehbaren Standesgehalt 
von 3000 fl. erhält, sofern ihm nicht aus früheren Dienstverhältnissen ein höherer zu- 
kommt 2). Die Minister sind hienach besoldete Staatsräte. Ihr Titel und Rang als 
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1) Die Frage, ob der Bestand eines k. Kabinetssekretariats mit der verfassungsmäßigen 
Stellung der Minister vereinbarlich sei, wurde früher lebhaft erörtert. (Vgl. v. Seydel, Staats- 
recht 1 S. 512 Anm. 10. Turch Handschreiben vom 29. Juli 1886 (G.V. Bl. S. 543) wurde das 
Kabinetssekretariat beseitigt und durch eine „Gebheimfanzlei“ ersetzt. 
2) Der angegebene Betrag ist ein Mindest-, kein Höchstbetrag. (Vgl. v. Seydel a. a. O. 
1 S. 515 Anm. 19). Nach dem Gehaltsregulativ vom 11. Juni 1892 (G.V Bl. S. 209) hat 
ein Zivilstaatsminister 12 600 Mark Gehalt, 7200 Mark Funktionsgehalt und 5400 Mark Re- 
präsentationsgelder, welch letztere beim Minister des Acußern 16200 Mark betragen. Der
	        
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