g 30. Die Staatsminister und die Staatsministerien. 77
nehmung von Zeugen und Sachverständigen durch den ordentlichen Richter nach Maßgabe
der allgemeinen Bestimmungen der Strafprozeßgesetze zu veranlassen und von den ein—
schlägigen Staatsministerien die nötigen Erläuterungen in Bezug auf den Gegenstand der
Anklage zu verlangen. Die Ausschüsse sind ferner verpflichtet, den beteiligten Minister
oder Minister-Stellvertreter mit seiner schriftlichen Verantwortung zu vernehmen.
Nach geschehener Prüfung der Anklagepunkte und Einvernahme des Beschuldigten
erstatten die Ausschüsse ihrer Kammer über das Ergebnis Bericht.
Vereinigen sich beide Kammern über die Anklage, so bringen sie ihren Beschluß an
den König.
Dieser enthebt den Angeklagten vorläufig vom Amte. Er läßt sodann die erhobene
Anklage durch einen besonders zu berufenden Staatsgerichtshof unverzüglich zur Entschei-
dung bringen und zu diesem Behufe den Landtagsbeschluß dem Präsidenten des Obersten
Landesgerichts mitteilen.
Das Verfahren kann, wenn die Anklage gegen mehrere gerichtet ist, unter denselben
Voraussetzungen, unter welchen dies nach Strafprozeßrecht zulässig ist, verbunden werden.
Die Kammern wählen, jede für sich, aus ihrer Mitte mit absoluter Stimmenmehr-
heit Anklagebevollmächtigte zur Einreichung und Vertretung der Anklage. Diese Bevoll-=
mächtigten haben außer den Rechten, die ihnen besonders eingeräumt sind, die gesetzlichen
Befugnisse des Staatsanwaltes. Eine Vertagung oder Auflösung des Landtags hat auf
die Verfolgung der Anklage und auf die Stellung der Anklagebevollmächtigten keinen Einfluß.
Die Letzteren haben zunächst dem Präsidenten des Obersten Landesgerichts die An-
klageschrift nebst den vorgenommenen Erhebungen zu übergeben und den Antrag auf Zu-
sammenberufung des Staatsgerichtshofes zu stellen. Der Präsident läßt den Landtagsbe-
schluß und die Anklageschrift dem Angeklagten zufertigen und veranlaßt sogleich die Bil-
dung des Staatsgerichtshofes.
Der Staatsgerichtshof wird beim Obersten Landesgerichte aus dem Präsidenten, sechs
Räten und einem Gerichtsschreiber, dann zwölf Geschworenen gebildet.
Zum Behufe der Bildung des Schwurgerichtes hat der Landrat jedes Kreises jähr-
lich 50 Geschworene zu wählen. Die Wahl geschieht mit absoluter Mehrheit aus den
Jahreslisten der Haupt= und Hilfsgeschworenen jener Landgerichte, die ihren Sitz inner-
halb des Regierungsbezirkes haben, ohne Rücksicht auf die Kreisgrenzen. Landrats= und
Landtagsmitglieder sind nicht wählbar. Ueber die Auswahl der Geschworenen, die ge-
gebenenfalles zum Dienste berufen sind, trifft das Gesetz eingehende Vorschriften.
Das Verfahren richtet sich, von einigen besonderen Bestimmungen abgesehen, nach
den allgemeinen Vorschriften des Strafprozesses, insbesondere über das schwurgerichtliche
Verfahren. Hervorzuheben ist, daß der Angeklagte soviel Verteidiger wählen kann, als ihm
Anklagebevollmächtigte gegenüber stehen.
In jedem Stande des Verfahrens vor dem Endurteile kann durch einen Beschluß
der beiden Kammern, der dem Staatsgerichtshofe mitzuteilen ist, auf die weitere Verfol-
gung der Auklage verzichtet werden. Dieser Verzicht hat die Wirkung eines freisprechenden
Erkenntnisses.
Wenn der Angeklagte für schuldig befunden wird, kann das Urteil je nach dem Grade
des Verschuldens und dem Erfolge der Pflichtverletzung auf einfache Entfernung vom Dienste
unter Belassung des gebührenden Ruhegehaltes, auf Dienstesentlassung ohne Ruhegehalt
oder auf Dienstesentsetzung (Kassation) lauten (Ges. von 1848 Art. IX).
Gegen die Urteile des Staatsgerichtshofes findet kein Rechtsmittel statt.
Der König hat bezüglich der vom Staatsgerichtshofe erkannten Strafen kein Be-
gnadigungsrecht. Die Rehabilitierung des Verurteilten kann nur mit Zustimmung des
Landtages erfolgen.