82 Artikel 2. Mitwirkung des Reichs bei Grenzveränderungen.
sagten staatsrechtlich zur Geltung gebracht werden, was nicht anders
als durch Inkorporationsgesetz gemäß Art. 2 geschehen konnte, so daß
der Landtag, wenn nicht wegen Art. 48, so doch sicher im Hinblick auf
Art. 2 berechtigt war, in der Angelegenheit mitzuwirken. Vgl. hierzu
Sten Ber des HdAbg a. a. O. S. 68 (Hübner), 76ff. (Twesten). Das
Verlangen des HdAbg (Beschluß vom 20. Dez. 66, Sten Ber 1866/1867, 3
1315ff.), die Staatsregierung solle „dem Landtage sofort einen Gesetz-
entwurf, betreffend die Vereinigung des Herzogtums Lauenburg mit dem
preußischen Staatsgebiete in Gemäßheit des Art. 2 der Verfassung vor-
legen“", war begründet. Daß die Regierung dieser Aufforderung nicht
sofort, sondern erst 10 Jahre später nachkam, ist oben S. 74 bereits
erwähnt.
12. Die Form des Landesgesetzes ist erforderlich und ausreichend,
um alle Arten von Veränderungen des preußischen Staatsgebietes staats-
rechtlich zur Geltung zu bringen. Sie ist auch dem Reiche gegenüber
wirksam, sofern es sich um Erwerbungen Preußens von einem andern
deutschen Einzelstaat oder um Abtretungen an einen solchen, also nur
um eine Verschiebung der Binnengrenzen Deutschlands handelt. Der-
artige Veränderungen bedürfen der Reichsgenehmigung nicht und zwar
nach begründeter, wiewohl nicht unbestrittener Ansicht (geteilt von
Laband, St R 1 130, bekämpft von Seydel, Komm. zur RV S. 37;
Näheres bei Anschütz, Enzykl. 525), selbst dann nicht, wenn die In-
korporation nicht sowohl Teile eines anderen deutschen Staates,
sondern diesen Staat im ganzen ergreifen soll, wie denn auch bei der
Vereinigung Lauenburgs mit Preußen durch G. vom 23. Juni 1876 eine
Mitwirkung des Reichs nicht stattfand, obwohl man (freilich irrigerweise,
vgl. oben S. 80, 81) von der Meinung ausging, daß Lauenburg ein noch
lebendiger und selbständiger Staat sei. — Anders als bei innerdeutschen
Grenzveränderungen ist die Zustimmung des Reiches Bedingung der
reichsrechtlichen Wirksamkeit, wenn ein Einzelstaat Gebiet vom Auslande
erwerben oder an das Ausland abtreten will. Solche territorialen Ge-
schäfte mit fremden Staaten zu machen, ist den deutschen Einzelstaaten,
also auch Preußen, weder durch das Völkerrecht noch durch die RB
verboten, also erlaubt, jedoch, wie in der Wissenschaft und Staatspraxis
unbestritten, nur unter dem Vorbehalt der Genehmigung oder Er-
mächtigung seitens des Reichs. Daß diese zustimmende Erklärung der
Reichsgewalt schon im Stadium der Vertragsverhandlungen mit dem
fremden Staate, etwa als Beitritt des Reiches zu dem betreffenden Grenz-
veränderungsvertrag ergeht, ist nicht erforderlich, aber natürlich zulässig.
Zulässig ist es auch daß der Vertrag vom Reiche selbst, zugleich in Ver-