526 I. 5. Ende der Kriegszeit.
eine kurze Ruhe für die erschöpften Truppen. Auch König Friedrich
Wilhelm unterlag für einige Zeit einem Anfalle seines Kleinmuths. Der
Zweck, um dessentwillen er im Frühjahr das Schwert gezogen hatte, die
Befreiung Deutschlands bis zum Rheine, war erreicht; seine langsame
Natur bedurfte einer geraumen Weile, um sich in die gänzlich veränderte
Lage zu finden und einzusehen, daß alles bisher Errungene nur durch
die Vernichtung der französischen Uebermacht gesichert werden konnte. Am
lebhaftesten aber wünschte der Wiener Hof die schleunige Beendigung des
unbequemen Krieges.
Schon zu Anfang Novembers hatte Metternich, gegen Sinn und
Wortlaut des Teplitzer Vertrags, einseitig Verhandlungen angeknüpft mit
dem gefangenen französischen Diplomaten St. Aignan und ihm zugesichert,
Niemand denke an Napoleon's Entthronung; wenn der Imperator die
Unabhängigkeit von Spanien, Italien und Holland anerkenne, so möge
Frankreich innerhalb seiner natürlichen Grenzen, zwischen Rhein, Alpen
und Pyrenäen, seine alte Machtstellung behaupten und über die kleinen
deutschen Staaten, ohne förmliche Oberherrlichkeit, jenen Einfluß aus-
üben, welcher jedem großen Staate den minder mächtigen gegenüber
nothwendig zustehe. Gelang dann noch eine Verständigung über die
Grenzen des österreichischen Machtgebietes in Italien, so war in der
That Alles erfüllt, was Metternich wünschte. Die Befreiung des linken
Rheinufers lag gänzlich außerhalb seines Gesichtskreises; seine Anschau-
ungen gingen über die mechanische Gleichgewichtslehre der alten Barrieren-
politik nicht hinaus. Ihm genügte vollauf, wenn eine Handvoll will-
kürlich gebildeter Kleinstaaten zwischen das streitlustige Frankreich und
die Ostmächte eingeschoben und also die Reibung der großen politischen
Massen durch einige Polsterkissen abgeschwächt wurde; war doch sein Haus
Oesterreich der natürliche Feind jeder kräftigen nationalen Staatsbildung.
Der englische Bevollmächtigte im Hauptquartiere, Lord Aberdeen, folgte
in allen continentalen Fragen blindlings der Ansicht Metternich's und
meinte, dem englischen Interesse sei genug geschehen, wenn nur Hannover
und die Niederlande wieder hergestellt würden. Zum Glück hatte er keine
genügende Vollmacht. Daher wurde Pozzo di Borgo nach London ge-
sendet, um die Zustimmung des Prinzregenten einzuholen, während
St. Aignan in Paris seinem Kaiser die Friedensvorschläge Metternich's
unterbreiten sollte.
Indessen kam Stein nach Frankfurt, den die österreichischen Staats-
männer bisher in Leipzig zurückgehalten hatten, und trat alsbald mit
flammendem Eifer für die Fortsetzung des Krieges ein. Es gelang, den
Czaren, dann auch den König zu gewinnen. Napoleon's Stolz konnte
sich nicht entschließen, sofort auf die übergünstigen Vorschläge Oester-
reichs einzugehen. Als er sich endlich zu den Friedensverhandlungen
bereit erklärte — freilich unter dem Vorbehalte, daß die Kleinstaaten