Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

618 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. 
besuchte er Thorwaldsen in der Werkstatt und schmiedete neue Pläne für 
die baierische Kunst, die ihn zuweilen so hoch begeisterten, daß er auf der 
Straße Luftsprünge machte. Wer ihn so in seiner poetischen Glückselig- 
keit sah, mußte den Eindruck gewinnen, daß dieser Fürst ein ganz un- 
politischer Kopf war. Er selber hätte das freilich nie zugegeben. Er meinte 
auch zu großer That berufen zu sein, und ganz wie einst die Medicäer 
verfolgte er bei seinen Kunstschöpfungen zugleich dynastische Zwecke: durch 
den ästhetischen Ruhm dachte er dem Hause Wittelsbach eine glänzende 
Stellung in Europa zu erringen. Wohl liebte er sein Deutschland mit 
Jnbrunst, er hegte und pflegte die Erinnerungen an den Befreiungskrieg 
und taufte seine neuen Straßen nach den Schlachten bei Arcis, Bar, 
Brienne, zum Befremden des französischen Gesandten, der noch immer 
nicht begreifen wollte, daß die bairischen Rheinbundszeiten zu Ende waren. 
Aber das deutsche Vaterland mußte auch der europäischen Politik der 
Krone Baiern freien Spielraum lassen. Darum war dem Könige die 
lockere Bundesverfassung willkommen; ich will keinen Bundesstaat, sagte 
er nachdrücklich, sondern einen einträchtigen Staatenbund. Ganz gegen 
seine sparsamen Gewohnheiten berief er sofort mehrere Diplomaten ab; 
er sendete Lerchenfeld nach Frankfurt, Cetto nach London, arbeitete viel 
mit dem ehrgeizigen Grafen Bray zusammen, und die fremden Gesandten 
erzählten Wunderdinge von den großen europäischen Plänen des Münchener 
Hofes. 
Außerhalb Deutschlands bot sich dem bairischen Thatendrange zunächst 
nur ein Ziel: das wiedererstehende heißgeliebte Griechenland. Bald nach 
der Thronbesteigung brachten die bairischen Zeitungen einen philhellenischen 
Aufruf: „Wie auch verschiedene Gesinnung im Uebrigen obwalten möge, 
in werkthätiger Theilnahme werde übereingestimmt!“ Diesen Satz konnte 
nur Einer geschrieben haben. In Wien wurde der erlauchte Verfasser 
denn auch alsbald errathen, und mit wachsendem Unwillen erfuhr 
Metternich, daß Oberst Heideck mit mehreren anderen bairischen Offizieren 
den Aufständischen zu Hilfe zog und große Summen vom Münchener Hofe 
nach Griechenland abgingen.) Dann kam Thiersch im Rausche seiner 
philhellenischen Begeisterung auf den Einfall, die Griechen durch Baiern 
für die Gesittung zu erziehen, des Königs Sohn, den jungen Prinzen Otto, 
an die Spitze des werdenden hellenischen Staates zu stellen. Wohl niemals 
war eine seltsamere Schrulle im Haupte eines braven Gelehrten auf- 
gestiegen; denn in ganz Europa gab es kaum zwei Stämme, die einander 
so fremd waren, wie die schlauen, genügsamen Hellenen und die ehrlichen 
sinnlich kräftigen Bavaresi. König Ludwig aber ergriff den Gedanken mit 
Leidenschaft; er eröffnete in München ein Panhellenion, wo die Söhne 
der griechischen Helden, die Botzaris, Miaulis, Kanaris erzogen wurden, 
  
*7) Bericht von Blittersdorff, 4. Sept.; von Küster, 19. Mai 1826 ff.
	        
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