618 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
besuchte er Thorwaldsen in der Werkstatt und schmiedete neue Pläne für
die baierische Kunst, die ihn zuweilen so hoch begeisterten, daß er auf der
Straße Luftsprünge machte. Wer ihn so in seiner poetischen Glückselig-
keit sah, mußte den Eindruck gewinnen, daß dieser Fürst ein ganz un-
politischer Kopf war. Er selber hätte das freilich nie zugegeben. Er meinte
auch zu großer That berufen zu sein, und ganz wie einst die Medicäer
verfolgte er bei seinen Kunstschöpfungen zugleich dynastische Zwecke: durch
den ästhetischen Ruhm dachte er dem Hause Wittelsbach eine glänzende
Stellung in Europa zu erringen. Wohl liebte er sein Deutschland mit
Jnbrunst, er hegte und pflegte die Erinnerungen an den Befreiungskrieg
und taufte seine neuen Straßen nach den Schlachten bei Arcis, Bar,
Brienne, zum Befremden des französischen Gesandten, der noch immer
nicht begreifen wollte, daß die bairischen Rheinbundszeiten zu Ende waren.
Aber das deutsche Vaterland mußte auch der europäischen Politik der
Krone Baiern freien Spielraum lassen. Darum war dem Könige die
lockere Bundesverfassung willkommen; ich will keinen Bundesstaat, sagte
er nachdrücklich, sondern einen einträchtigen Staatenbund. Ganz gegen
seine sparsamen Gewohnheiten berief er sofort mehrere Diplomaten ab;
er sendete Lerchenfeld nach Frankfurt, Cetto nach London, arbeitete viel
mit dem ehrgeizigen Grafen Bray zusammen, und die fremden Gesandten
erzählten Wunderdinge von den großen europäischen Plänen des Münchener
Hofes.
Außerhalb Deutschlands bot sich dem bairischen Thatendrange zunächst
nur ein Ziel: das wiedererstehende heißgeliebte Griechenland. Bald nach
der Thronbesteigung brachten die bairischen Zeitungen einen philhellenischen
Aufruf: „Wie auch verschiedene Gesinnung im Uebrigen obwalten möge,
in werkthätiger Theilnahme werde übereingestimmt!“ Diesen Satz konnte
nur Einer geschrieben haben. In Wien wurde der erlauchte Verfasser
denn auch alsbald errathen, und mit wachsendem Unwillen erfuhr
Metternich, daß Oberst Heideck mit mehreren anderen bairischen Offizieren
den Aufständischen zu Hilfe zog und große Summen vom Münchener Hofe
nach Griechenland abgingen.) Dann kam Thiersch im Rausche seiner
philhellenischen Begeisterung auf den Einfall, die Griechen durch Baiern
für die Gesittung zu erziehen, des Königs Sohn, den jungen Prinzen Otto,
an die Spitze des werdenden hellenischen Staates zu stellen. Wohl niemals
war eine seltsamere Schrulle im Haupte eines braven Gelehrten auf-
gestiegen; denn in ganz Europa gab es kaum zwei Stämme, die einander
so fremd waren, wie die schlauen, genügsamen Hellenen und die ehrlichen
sinnlich kräftigen Bavaresi. König Ludwig aber ergriff den Gedanken mit
Leidenschaft; er eröffnete in München ein Panhellenion, wo die Söhne
der griechischen Helden, die Botzaris, Miaulis, Kanaris erzogen wurden,
*7) Bericht von Blittersdorff, 4. Sept.; von Küster, 19. Mai 1826 ff.