Einleitung.
Das Expansionsbedürfnis des modernen Kulturstaates war
auch für Deutschland die natürliche Ursache zum Erwerbe von
Kolonieen in Gebieten, die der Kulturarbeit kommender Genera-
tionen noch ein weites und fruchtbares Feld eröffneten.
Doch konnte die Angliederung dieser neuen Ländergebiete,
deren Bevölkerung meist noch auf sehr niedriger Stufe der Ge-
sittung steht, an das Reich nicht ohne weiteres in einer Ein-
beziehung der fraglichen Länderstrecken in das deutsche Reichs-
gebiet im Sinne von Art. 1 RV. unter gleichzeitiger genereller
Erstreckung deutschen Reichsrechts auf dieselben vor sich gehen.
Das Reich war bis 1884 ein festgefügtes Ganzes, seine Be-
standteile wenigstens in der rechtlichen Behandlung gleichwertig).
Sobald hier ein Neues hinzutrat, galt es in den neuerworbenen
Gebieten einen geordneten, den Bedürfnissen des Reiches im
engeren Sinne wie der Kolonieen gerecht werdenden Rechtszu-
stand zu schaffen.
Der Erwerb der Kolonieen, insofern darunter unter der Sou-
veränetät des Reiches stehende, überseeische, nicht zum Staats-
gebiete im engeren Sinne gehörende Ländergebiete?) zu verstehen
sind, war ein Akt völkerrechtlicher Natur. Wie die weitere An-
gliederung zu geschehen habe, war dann ausschliesslich eine Frage,
die dem Staatsrecht überlassen blieb, d. h. rein innerpolitischer Art.
Von Anfang an sprachen die verschiedensten Momente bei
der Feststellung des Rechtes der neuerworbenen Gebiete und ihrer
Bewohner mit. Die mannigfaltigsten Fragen wirtschaftspolitischer
und praktischer Natur erforderten in weitgehendstem Masse Be-
1) Auf die Stellung Elsass-Lothringens zum Reiche wird an der geeig-
neten Stelle näher eingegangen werden.
2) STENGEL: 1W1 S. 1.
Hauschild, Staatsangehörigkeit. 1