Full text: Die Staatsangehörigkeit in den Kolonien

—_— 1232 —_ 
achtung. Und immer galt es dabei den lokalen Verhältnissen Rech- 
nung zu tragen. Versuchsweise Massregeln, oft rein interimistische 
Bestimmungen waren eher geeignet das Richtige zu treffen, als 
detaillirte Gesetze. Dem diskretionären Ermessen des Beamten 
musste mit Rücksicht auf die Schwierigkeit der Beurteilung der 
mannigfaltigen lokalen Verhältnisse weiterer Spielraum gelassen 
werden. Je festere Grenzen der inneren Ausgestaltung gezogen 
wurden, um so einseitiger musste die Entwickelung der Kolonieen 
vor sich gehen, um so gefährlicher musste ein erklärlicherweise 
leicht getaner Missgriff dem Aufblühen des Landes werden. So 
sehen wir allerorts bei der Festlegung der rechtlichen Verhältnisse 
in den Schutzgebieten ein schrittweises, zuweilen tastendes Vor- 
gehen, allmähliche Einführung europäischer Rechtsinstitute, oft ein 
wohlerwogenes Beharren bei, unserem Rechtsgefühl prinzipiell wider- 
streitenden lokalen Einrichtungen, die gegenüber den, mit einem 
radikalen Vorgehen notwendigerweise verbundenen, sicher zu er- 
wartenden Rückschlägen als das kleinere Uebel erschienen !). Die 
ganze innere Angliederung war und ist eine stufenweise. Immer 
wird Rücksicht auf die eingeborene Bevölkerung genommen, anderer- 
seits aber darnach gestrebt die Interessen der Nationalen zu wahren, 
die Länder aber vor allem deutscher Kultur zu gewinnen. 
Folgeweise wurde in den Schutzgebieten ein stetes Schwer- 
gewicht auf die Unterscheidung der Klassen der Bevölkerung 
gelegt. Mit einer Unterscheidung nach Reichsangehörigen oder 
Nichtreichsangehörigen ist es hier nicht getan. Die Differenzie- 
rung der Bevölkerung geht notwendig weiter, muss eine grössere 
sein als im Deutschen Reiche im engeren Sinne und war es, ohne 
dass die Reichsgesetzgebung tätig wurde, allein durch die Tatsache 
des völkerrechtlichen Erwerbes. Aber auch gesetzlich musste be- 
züglich der Voraussetzungen für den Erwerb oder Verlust der 
Staatsangehörigkeit als solcher eine Aenderung eintreten. Der 
Staat arbeitet an der Normierung seines Angehörigenbestandes?). 
In Zeiten relativer Einfachheit und Einheit der Lebensbedingungen 
und unentwickelter Verkehrsverhältnisse, Zeiten, denen ein abso- 
  
1) KÖBNER bei HOLTZENDORFF: S. 1078 „Das grosse Problem aller kolo- 
nialen Rechtspolitik liegt darin, nicht nur eine äusserliche Vereinigung, son- 
dern einen inneren Ausgleich zu finden zwischen der modernen Rechtsrege- 
lung, deren die weissen Kolonisten bedürfen, und den altangestammten ein- 
heimischen Rechtsanschauungen.*“ 
2) O. MAYER Arch. Ill. S. 47.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.