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Die Unterwerfung erstreckt sich aber nur auf die eingeborene
Bevölkerung der Schutzgebiete, nicht die der Interessensphären !).
Dass die Auslieferungsverträge auch zum Teil auf die Interessen-
sphären ausgedehnt worden sind, hat einen ganz anderen Grund,
als den für das Reich dort bestehender Souveränetät. Nichtein-
mischung der fremden Vertragsstaaten war durch Staatsverträge
für diese Gebiete zugesichert. Die deutsche Staatsgewalt war
gegenüber den Vertragsstaaten allein zur Erstreckung ihrer Souve-
ränetät über diese Gebiete befugt. Die Ausdehnung der Ausliefe-
rungsverträge auf diese Länderstrecken war nur eine Konsequenz
dieser Abmachungen’?).
Dass ferner unter Eingeborenen auch die Angehörigen anderer
farbiger Stämme zu verstehen sind’), ist nur für die allgemeine
Rechtsstellung, nicht aber für die Untertanenqualität der Eın-
geborenen erheblich *). Das hat praktische Bedeutung?).
Die Stellung von deutschen Untertanen haben auch die Chi-
nesen im Kiautschougebiete. Die deutsche Herrschaft dort hat
einen souveränen Charakter; bei der Abtretung bediente man sich
nur zur Verschleierung der Gebietszession eines Pachtvertrages
auf 99 Jahre®.. Nomina non nocent.
Die Untertanschaft der eingeborenen Bevölkerung unter die
Reichsgewalt ist eine unbedingte und unbeschränkte, allein gegen-
über der Reichsangehörigkeit erheblich minderwertiger, was ihre
1) AA. Hssse: a. a, O. S. 31; vgl. dazu meine a. 1 auf S. 23.
2) AA. GAREIS: KolR. S. 4.
3) 8 2 der VO. vom 9. November 1900.
4) Vgl. unten S. 35. — AA. Hesse: a. a. O. S. 31.
5) Auch Han: S. 128 a. 1 zieht die praktische Konsequenz aus dieser
Untertanenstellung: „Are the native inhabitants of a protectorate to be re-
garded as subjects of the protecting state when temporarily within the ter-
rıtory or the protectorate of another civilised state? There can be no doubt,
that Germany will take the view that they are so.“
6) Dies bestreitet RoSENBERG: S. 661: „Formell ist also Kiautschou noch
heute chinesisches Stuatsgebiet,; seine Bewohner sind noch heute chinesische
Staatsangehörige“. Auch v. Poser: S. 43 hält die Chinesen dort für chine-
sische Untertanen. — Dagegen MEYER-ANnSCHUTZ: S, 190 a. 6; v. LiszT: S. 99;
KÖRNER bei HOLTZENDORFF: S. 1086 (mit Ausführungen über den Begriff
Pacht ım chinesischen Liegenschaftsrechte). S. 1097; DERSELBE: Rechtspflege
in den Kolonieen S, 29, 30; STENGEL: 1901 S. 22, 23. — Vgl. in dem Aller-
höchsten Erlass betr. die Erklärung Kiautschous zum Schutzgebiete vom
27. Aprıl 1893 die Worte „in deutschen Besitz übergegangen‘.