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vor Erteilung der Naturalisation unbedingt gegeben sein müssen ').
Ein Irrtum über das Vorhandensein wesentlicher materieller Vor-
aussetzungen bei der Verleihung der Staatsangehörigkeit ist infolge
des formellen Charakters dieses Verwaltungsaktes ohne Wirkung.
Während dem Gliedstaate durch $ 8 StAG. eine positive
Grenze für Naturalisationen gesetzt ist, ist ihm auf der anderen
Seite unbenommen die Verleihung der Staatsangehörigkeit an die
Erfüllung weiterer, erschwerender Bedingungen zu knüpfen, auch
eine Gebühr von reichsgesetzlich nicht begrenzter Höhe für die
Naturalisationsurkunden zu erheben?). Das Interesse des Reichs
bei der Naturalisation durch den Gliedstaat erscheint durch die
Minimalbedingungen, die erfüllt sein müssen, genügend ge-
wahrt?).
Diese Bestimmungen bürgen auch in gewissem Grade dafür,
dass die Aufnahme staatsfeindlicher Individuen in den Verband
des Staatsvolks unterbleibt. Für .die Kolonieen ist die Naturali-
sation, die dem Einzelindivriduum dem Eingeborenen gegenüber
eine Vorzugsstellung verschaftt, doppelt vorsichtig zu handhaben.
Als Reichsangehöriger gewinnt der Einzelne eine Sonderstellung
gegenüber dem blossen Schutzgebietsangehörigen ; er wird Deutscher
in engeren Sinne. Umsomehr gebietet die politische Klugheit
bei Erteilung der Naturalisation die Erwerbsbedingungen, die per-
sönlichen Eigenschaften des zu Naturalisierenden, andererseits,
mit Rücksicht auf die erschwerte Kontrolle, die persönliche Ge-
währ für die Würdigkeit seiner Aufnahme in erhöhtem Masse zu
prüfen.
Andererseits aber ist es im Interesse der Kolonieen nötig der
Zunahme der weissen Bevölkerung, soweit tunlich, auch durch
Erteilung der Naturalisation an fremde Ansiedler Vorschub zu
leisten, um den in erster Linie wirtschaftlichen Wert der Kolo-
nieen zu erhöhen. Gouverneur v. Liebert sagte in einen am
16. Juni 1904 zu Breslau gehaltenen Vortrage „Die deutschen
1) Zorn: I. S. 357 f.; ARNDT: S. 56 etc.
2) Ebenso SEYDEL: Bayr. StR. 1.5. 278 a.42; DERSELRE: Ann. 76. S. 141;
G. MryYEr: VerwR. I. S. 139. — AA. LaspGrarr: 8. 648 und „Die Kosten
der Naturalisationsurkunden“ 8. 729 ft.
3) Aebnlich SEYDEL: Ann. 76 „Das deutsche Naturalisationsverfahren‘“.
Ss. 732 fi., wiewohl er der Frage nicht unsympathisch gegenübersteht. In die-
sem Sinne ist die Schweiz vorgegangen. — Direkt für „Kognition des Reichs“
ist ZORN: 1. S. 368 a. 61.