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II. Der Verlust der Sch-Reichsangehörigkeit.
$ 9 Mit Rücksicht auf die grundsätzliche Stellung des Staates
und des Betroffenen zum Verluste.
Wie der Staat die Fähigkeit besitzt, den Kreis der ihm un-
bedingt unterworfenen, das Staatsvolk bildenden Individuen durch
Aufstellung von, den Erwerb der Staatsangehörigkeit normierenden
Voraussetzungen zu bestimmen, ebenso steht es ihm frei, unter
gewissen Bedingungen das Aufhören eines derartigen Subjektions-
verhältnisses eintreten zu lassen.
Wie die Voraussetzungen betreffend den Erwerb der Staats-
angehörigkeit im Laufe der Jahrhunderte und unter dem Einflusse
verschiedener Rechtsanschauungen mannigfache Aenderungen er-
fahren haben, ebenso und in engem Zusammenhange mit diesen
bildete sich auch im neunzehnten Jahrhundert in den verschiedenen
Staaten eine mehr oder minder von einander abweichende Staats-
praxis hinsichtlich des Verlustes der Staatsangehörigkeit aus. Vor
allem gelangte man erst nach einer langen Zeit hartnäckigster Be-
tonung des unbedingten Subjektionsprinzipes mit Ausschluss Jedes
Anspruchs auf Entlassung und nach Beseitigung einer eine Aus-
wanderungssteuer festsetzenden Uehergangsperiode zu der modernen
die Freiheit des Individuumsim Allgemeinen wenig beschränkenden!)
Auffassung ?).
Auch bei der Normierung des Verlustes der Staatsangehörig-
keit in Deutschland zeigt sich wieder, dass Staatsangehörigkeit
kein leerer Begriff ist, der lediglich zur Klassifikation der in den
Machtbereich des Staates gelangenden Personen in positiver und
negativer Richtung führt und etwa neben dem subditus temporarius
und dem Staatsbürger im engeren Sinne zur Charakteristik einer
eigenen Kategorie rechtlich besonders gestellter Individuen dient.
Das besonders geartete Abhängigkeitsverhältnis des Staatsange-
hörigen vom Staate, die Zugehörigkeit zum Staatsvolke, dessen
Lokalisierung dem Verhältnisse eine besondere Färbung verleiht,
konmt recht eigentlich bei der gesetzlichen Gestaltung der Ver-
lustgründe zu bestimmtem Ausdrucke. Hier besonders zeigt sich
die bleibende Bedeutung des Territorialitätsprinzips für die Be-
stimmung der Staatsangehörigkeit und ihren Verlust. Die Lösung
der Beziehung zum Staatsgebiete ist die Grundidee.
1) Vergl. u. 8. 72 ff.
2) Ueber deutsche Auswanderung zur Zeit vgl. WHELPLEY: Kapitel XII.