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Die kritische Würdigung der Verlustgründe soll in der Weise
gruppiert werden, dass der Verlust der Staatsangehörigkeit, inso-
fern er an einen reinen Tatbestand ohne Rücksicht auf den Willen
des Betroffenen anknüpft, zum Ausgangspunkte der folgenden
Darstellung gemacht wird. Daran schliesst sich die Betrachtung
des Verlustes der Staatsangehörigkeit mit dem Willen des Verlust-
trägers und endlich eine Erörterung des als Strafe erkannten
Verlustes.
Wir beginnen daher eine Betrachtung der Verlustgründe mit
der Auswanderung und ihren eventuellen Folgen schlechthin. Die
eigentümliche staatsrechtliche Stellung der deutschen Schutzgebiete
zum Reiche im engeren Sinne ist für den Begriff der Auswande-
rung in mehrfacher Hinsicht beachtlich.
1. Als gesetzliche Folge eines objektiven Tatbestandes.
$ 10. Durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande?).
I. Das lange Zeit vorherrschend gewesene Territorialitäts-
prinzip hat bei der Normierung der Verlustgründe der Staats-
angehörigkeit einen bleibenden Ausdruck gefunden ’?).
$ 21 StAG. Abs. 1 Satz 1 lautet:
„Deutsche, welche das Bundesgebiet verlassen und sich zehn
Jahre lang ununterbrochen im Auslande aufhalten, verlieren da-
durch ihre Staatsangehörigkeit.“ Der Zusammenhang zwischen
Staat und Angehörigen erscheint durch die dauernde Abwesenheit
vom Territorium des Staates derart gelockert, dass eine Rück-
wirkung der Abwesenheit auf das Angehörigkeitsverhältnis unaus-
bleiblich ist, und die Wirkung, die das Gesetz an die Abwesen-
heit knüpft, von selbst, ohne jeden auch nur deklaratorischen
Ausspruch der Behörde ipso jure eintritt.
Das Gesetz sagt „verlassen“, sagt „aufhalten“°). Der Tat-
bestand ist ein rein objektiver, der gefordert wird. Der Wille des
Verlustträgers ist für den Verlust einer Staatsangehörigkeit ganz
irrelevant?). Konsequenterweise darf aber auch, wenn von ununter-
1) Vgl. dazu v. MARTITZ: a. a. O. und für die historische Entwickelung
REHM: a. a. OÖ.
2) SARTORIUS: Der Einfluss des Familienstandes auf die Staatsangehörig-
keit S. 3 a. 6.
3) Neuerdings ist die Tendenz diese Bestimmung zu beseitigen eine starke.
Vgl. die Petition der Deutschen im Auslande an den Reichskanzler 1905.
4) SEYDEL: Bayr. StR.1.S.289; SARTORIUS: a.a. 0.8.90; Cann: S.156.a. 6.