Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Erster Band. (1)

Die Franzosen 85 
westlich der Vogesen. Nicht im immobilen Zustand, sondern kriegsfertig 
sollte die französische Armee dann die Vorbewegung unternehmen, die mit 
dem Wormarsch der Russen und der Landung der Engländer in Einllang 
zu bringen war. 
Zählte die kaiserliche Armee im Jahre 1870 nur 300 000 Mann, so 
mochte die Feldskärke des französischen Heeres im August 1914 1½ Mil- 
lionen überschreiten. Der Stoß konnte also in breiter Fronk und meshtiger 
Tiefengliederung vorgetragen werden, ohne daß, wie vor vierundvierzig 
Jahren, eine Zersplitterung der Armeen in einzelne Gruppen und im Falle 
des Steckenbleibens eine lückenhafte Kordonstellung zu befürchten war. Im 
August 1870 stand die aus 8 Armcekorps zusammengesezte Armee in zwei 
Haupekampfgruppen bei Megh und im Unterelsaß, während auf dem äußersten 
rechten Flügel nur das Korps Felix Douay von Belfort auf Mülhausen 
rückte und zwischen der bei Metz versammelten Rheinarmee und der bei 
Saßburg zusammengezogenen Armee Mac Mahons das Korps Failly 
mühsam Werbindung hielt. Im Jahre 1914 bedeckten die französischen Heere, 
wenn sie an der Ostgrenze aufmarschierten, dicht aufgeschlossen den ganzen 
Raum zwischen Belfort und Longwy. Diese enge Versammlung der fran- 
zösischen Feldarmeen geschah zweifellos im Vertrauen auf die Unbezwinglich- 
keit der belgischen Festungen und die Widerskandskraft des belgischen Heeres, 
dessen rascher Unterstlchung durch das englische Candungskorps man gewiß war. 
Eine am 25. März 1915 veröffentlichte amtliche Mieteilung der fran- 
zösischen Regierung Üüber den Aufmarsch der französischen Armeen im 
August 1914 gewährt uns fesselnde Einblicke in diese Gedankengänge und 
enthält genauere Angaben über den französischen Aufmarsch. Danach sind 
5 Armeen erster Linie gebildet worden, die zwischen der schweizerischen und 
der belgischen Grenze versammelt werden sollten. 
Die 1. Armee erhielt den Raum zwischen Montbeliard—Belfort und 
Mirecourt—Lunbville angewiesen. Die 2. Armee marschierte zwischen dieser 
Einie und der Mosel auf, die 3. zwischen der Mosel und Verdun—#Audun, und 
die 5. Armee füllte anschließend den Raum bis zur belgischen Grenze. Die 
ganze Aufstellung ruhte auf der großen Festungs- und Fortlinie, hinter welcher 
im Mittelraume, also westlich von Toul—Commerey, die 4. Armee im Rück. 
halt bereitgestellt werden sollte. 
Diese Grundaufstellung erlaubte Angriff und Verteidigung in gleicher 
Weise. Sie gestkattete den Angriff, falls die deuesche Heeresleitung, ihren 
linken Flügel versagend, sich begnügte, im Elsaß die festen Plätze zu halten 
und durch Luxemburg und Lothringen vorstieß, und sie sicherte die Verkeidi- 
gung, falls der deutsche Anprall auf der ganzen Front von Welfort bis 
Luxemburg erfolgte. m 
Zugleich rechnete dieser Versammlungsplan mit einem Einbruch der 
Deutschen in Belgien, und zwar war f## diesen Fall eine besondere „Variante"
	        
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